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Wolfgang Gurlitt, Cold Case der Linzer Kunstgeschichte

Von Helmut Atteneder, 19. Februar 2019, 00:04 Uhr
Wolfgang Gurlitt, Cold Case der Linzer Kunstgeschichte
Kunstsammler und -händler Wolfgang Gurlitt mit seinem persönlichen Freund, Alfred Kubin, im Jahr 1951 Bild: (Lentos)

Auf den Spuren einer faszinierend-dubiosen Figur zwischen fanatischer Sammlermanie und dem Geschäft mit NS-Raubkunst

Über Wolfgang Gurlitt weiß man eigentlich nicht viel. Außer, dass er ein Pascha war, der sich gern mit vielen Frauen umgab. Außer, dass er ein manischer Kunstsammler und kaufmännisch untalentierter Händler war, der sich oft nur durch Notverkäufe über Wasser halten konnte. Außer, dass er "Vierteljude" war. Und blendende Geschäfte mit den Nazis machte, um deren Vision eines Führermuseums in der Kulturhauptstadt Adolf Hitlers zu befeuern. Wolfgang Gurlitt (1888–1965), persönlicher Freund von Alfred Kubin, Oskar Kokoschka und Eduard Munch, ein fanatischer Raubkunsthändler?

Von jenem Mann, der 1946 die Neue Galerie Linz, den Vorläufer des Lentos, als Leihmuseum gründete, ist nicht viel Verbindliches geblieben. Gerade deshalb liefert seine Geschichte ausreichend Stoff für Verschwörungstheorien. Jetzt werden das ausufernde Privat- und das geheimnisvolle Berufsleben Gurlitts erstmals wissenschaftlich erforscht.

Elisabeth Nowak-Thaller, die seit 1986 mehr als 100 Ausstellungen im Lentos (und viele davon federführend) kuratierte, begab sich vor eineinhalb Jahren auf eine abenteuerliche Spurensuche. Im Oktober wird dazu eine Ausstellung im Lentos gezeigt. "Jetzt ist die Zeit reif für Gurlitt. Und es wird eine Ausstellung im großen Stil", sagt die 59-Jährige, die sich zuletzt mit ihrer Brosch-Ausstellung in Linz und im Wiener Belvedere weit über die Grenzen hinaus in der Kunstszene manifestierte.

Spurensuche in Bad Aussee

Eine Spurensuche, die aufgrund fehlender Quellen eine Art Cold Case der Linzer Kunstgeschichte ist. Zum Familienarchiv gibt es keinen Zugang, und Gurlitts Berliner Wohnung samt Archiv wurde im Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche gelegt. Es fehlen Quellen und Werkkataloge.

Wo anfangen? "Zunächst hoffte ich, in Bad Aussee fündig zu werden", erzählt Nowak-Thaller. Dort lebte Wolfgang Gurlitt mit seiner Ex- und seiner aktuellen Frau sowie mit seiner Geliebten samt zwei Töchtern und hortete einen Großteil seiner Kunstsammlung. Nichts. Das Haus ist heute in Privatbesitz.

München. In einer kleinen Wohnung traf Elisabeth Nowak-Thaller vergangenen Sommer Gurlitts Tochter Maria. Die 91-jährige, gebrechliche Frau, die nie heiratete und bis zuletzt vom Erbe ihres Vaters lebte, redet nicht gern über Gurlitts Linzer Zeit. Sie kann nicht verzeihen, wie man in der Stadt mit diesem "Furtwängler der Kunstszene" (Eigendefinition Gurlitts) so verfahren konnte. Mit ihm, der für Linz ab 1946 eine Art künstlerischer Heilsbringer war.

Er brachte van Gogh nach Linz

Der gewiefte Mann nahm gleich nach dem Krieg die österreichische Staatsbürgerschaft an, um einer möglichen Beschlagnahme seiner Sammlung zu entgehen. Er gründete das Wolfgang-Gurlitt-Museum auf dem Linzer Hauptplatz – Vorgänger der Neuen Galerie und des heutigen Lentos. Er präsentierte bis 1955 107 Ausstellungen, darunter aufsehenerregende mit Arbeiten von Kubin und Kokoschka. Auch ein van Gogh war in Linz zu sehen.

1953 kaufte die Stadt ein Kontingent von 88 Gemälden und 33 Grafiken an. Das von Gurlitt angebotene Bild "Mutter mit Kind" von Egon Schiele lehnte man ab. "Leider", sagt Elisabeth Nowak-Thaller. "Schiele war damals äußerst umstritten, und das Bild gefiel der zuständigen Kommission einfach nicht." Gurlitt verkaufte das Werk Rudolf Leopold. Heute ist das Werk 50 Millionen Euro Wert. Kleiner Trost: Im Rahmen der Gurlitt-Ausstellung ist es im Lentos zu sehen.

Das Verhältnis zwischen der Stadt und Gurlitt war bald belastet. Gurlitt trenne seine persönlichen Geschäfte mit jenen als Leiter der Galerie nicht sauber genug, hieß es. Am 31. Jänner 1956 ging man im Streit auseinander.

Der Name Gurlitt und die Kunstwelt sind eng verwoben. Wolfgangs Vater Fritz besaß eine Galerie in Berlin. Sein Cousin war der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt. Vor gut vier Jahren wirbelte die in München und Salzburg auftauchende, riesige Sammlung von Cornelius Gurlitt, Hildebrands Sohn, die Branche gehörig durcheinander. Raubkunst im großen Stil wurde vermutet. Allein, Provenienzforscher wurden bis heute in dieser Richtung nur marginal fündig. Auch in der Linzer Gurlitt-Sammlung fand sich kaum Raubkunst. Wolfgang Gurlitt war nie bei der Partei, seiner Tochter untersagte er, dem BdM beizutreten. Er förderte jüdische Künstlerinnen, verhalf einigen zur Flucht und rettete seine Geliebte Lilly Agoston, indem er eine Scheinheirat mit einem Dänen einfädelte.

Gurlitt und Hitlers Sonderauftrag

Dennoch zogen diesen faszinierenden Menschen, der sich zeitlebens mit Dubiositäten durchlavierte, die Machenschaften der Nazis magisch an. Als Hitler per Sonderauftrag NS-Raubkunst für sein geplantes Linzer Führermuseum "sammeln" ließ, war Wolfgang Gurlitt nicht untätig. Ab 1943 wurden im Salzstollen von Bad Aussee gigantische Bestände für den "Sonderauftrag" gehortet. Gurlitt handelte mit sogenannter entarteter sowie mit Raub- und Beutekunst und streifte bei jeder Transaktion bis zu 25 Prozent an Provision ein.

Wolfgang Gurlitt starb 1965 in München. Er nahm viele Geheimnisse mit ins Grab. Elisabeth Nowak-Thaller hat noch bis Oktober Zeit, so viele wie möglich davon zu lüften.

Gurlitt-Ausstellung

Im Linzer Lentos ist ab 4. Oktober die Schau „Wolfgang Gurlitt. Zauberprinz“ zu sehen. Kuratiert wird die Ausstellung von Elisabeth Nowak-Thaller. Zur Ausstellung wird auch ein rund 400 Seiten starker wissenschaftlicher Katalog über Leben und Wirken Wolfgang Gurlitts erscheinen.

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Autor
Helmut Atteneder
Redakteur Kultur
Helmut Atteneder
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11  Kommentare
11  Kommentare
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mape (8.837 Kommentare)
am 20.02.2019 08:28

Und kein Aufschrei der Linksgrünen oder des Mauthausen - Komitees?

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kleinEmil (8.275 Kommentare)
am 20.02.2019 08:32

wieso "oder"? Letzteres fällt eh unter Ersteres

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am 19.02.2019 11:44

Eduard Munch?

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lesemaus (1.698 Kommentare)
am 19.02.2019 10:01

Hoffentlich gibt es im Oktober eine bessere Eröffnungsrede,als bei Lassinig und Rainer.Ein halb Stunden Gestammel wo sich alle Leute davon schlichen und der Rest geklatscht hat damit der Herr mit seinem Gestottere aufhört.

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am 19.02.2019 11:45

Wer hielt die Eröffnungsrede?

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Harbachoed-Kater (4.909 Kommentare)
am 19.02.2019 22:51

Guter Rat fürs Leben: Kümmere dich um Positives.

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haspe1 (23.645 Kommentare)
am 20.02.2019 08:37

@lesemaus: Ich gehe hin und wieder auf die Vernissagen der Ausstellungen im Lentos.

Ich höre mir seit einiger Zeit die Eröffnungs-Reden NIE an, nicht eine Minute, denn diese sind schwer erträglich.

Es reden meist einige Personen (zu viel), darunter diverse Politiker und sie reden fast immer endlos und das meiste dieser Endlos-Reden ist völlig langweilig, ausser das, was der Kurator gerade zu sagen hat.

Im Lentos sollten sie einmal lernen, dass Eröffnungsreden kurz und knackig zu sein haben.

Das gute daran ist, dass man viel Zeit und Musse hat, fast allein die Ausstelung anzusehen, während viele andere den faden reden lauschen...

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hanix (666 Kommentare)
am 19.02.2019 09:28

Es ist ihm als Kunstexperte nichts andere übrig geblieben diesem politischen System gefällig zu sein, hat dabei allerdings auch sehr gut verdient. Letzten Endes hat er dieses Gewaltsystem abgelehnt. Kurios ist die Geschichte seines Sohnes. Verwiesen wird auf die im Fernsehen gezeigte Dokumentation. Deutschland hat mit seinen überzogenen Vorstellungen, dass es sich bei den Bildern um Nazi-Raubkunst handeln müsse, diese Sammlung an das Basler Museum verloren!!

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alleswisser (18.463 Kommentare)
am 19.02.2019 08:18

Ein interessanter, lesenswerter Artikel der OÖN.

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Harbachoed-Kater (4.909 Kommentare)
am 19.02.2019 22:54

Alleswisser, stimmt für mich, und mit verblüffendem Ende.

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Harbachoed-Kater (4.909 Kommentare)
am 19.02.2019 22:57

Lesenswert sind vor allem Artikel, bei denen man zumindest ein bissl was lernt… was aber soll ein Alleswisser lernen? /duck und renn

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