"Wir sind eine große Diskutierer-Band"

Von Reinhold Gruber   18.Oktober 2014

Manchmal ist es gut, wenn man länger nichts voneinander hört. Man freut sich dann auf das Wiederhören. Diesen Eindruck vermittelt "Insel", das neue Album von Juli. Frisch, organisch und homogen ist es geworden. Die vier Jahre, die seit der letzten Produktion vergangen sind, haben sich nicht nachteilig ausgewirkt. Im Gegenteil. Abstand kann zu einer neuen Nähe führen, Sichtweisen verändern. Dieser Einschätzung können Sängerin Eva Briegel und Gitarrist Jonas Pfetzing im OÖN-Interview etwas abgewinnen.

OÖNachrichten: Musiker reden über Musik – ist das schwierig?
Eva:
Ich habe Literaturwissenschaften studiert und muss mich schon in Acht nehmen, damit ich nicht von Interview zu Interview mehr in einen Interpretationsmodus verfalle. Es reicht völlig, es einfach gut zu finden.

"Insel" ist gelungen, was möglicherweise auch daran liegt, dass Ihr Euch etwas zurück gezogen habt. Hat dieser Abstand das Ergebnis begünstigt?
Jonas:
Wir brauchen immer Zeit, um die Lust zu fördern und Ideen zu bekommen, wo wir hin wollen. Musik war für uns nie etwas, das man einfach abarbeitet. Es funktioniert nicht nach Terminen. Wir brauchen Zeit, um gemeinsam in diesen Modus zu kommen, der Spaß macht und Gutes entstehen lässt. Eva: Wir haben bei dieser Platte gemerkt, wie gut es uns tut, eine Art offene Beziehung zu führen. Wir haben gemerkt, wie bereichernd es für die Band ist, wenn man sich gegenseitig loslässt. Wir sind alle unsere Wege gegangen und dennoch ist für uns die Band nach wie vor das wichtigste.

"Insel" kennt Ohrwurm-Melodien und ganz stille Momente – und immer ist es ganz und gar Juli. Empfindet Ihr ähnlich?
Eva:
Ich glaube, dass dies daher rührt, dass wir bei diesem Album viel weggeschmissen haben. Wenn wir gemerkt haben, dass wir ein Stück in die falsche Richtung produziert haben, dann haben wir es verworfen und neu aufgebaut. Wir haben dabei immer das Gefühl an die erste Stelle gestellt. Für uns war es wichtig, den Zauber zu finden.

Dieses Denken setzt voraus, dass man sich aus dem Produktionsvorgang herausnehmen kann. Da muss man als Musiker wie als Band weit sein, oder?
Jonas:
Auf jeden Fall. Man darf nicht faul sein. Wahrscheinlich ist es das Schwerste, eine Platte aufzunehmen, die nachher leicht und wie selbstverständlich klingt. Es war auf jeden Fall unser Ziel, ein homogenes Album zu schaffen.

Gibt es für Euch einen Grund, warum dieses Album so stimmig geworden ist, sich Mitsing- und Zuhör-Songs die Balance halten?
Eva:
Wir haben bei diesem Album viele Bauchentscheidungen getroffen. Wir haben uns getraut, nichts begründen zu müssen, denn wir sind eine große Diskutierer-Band. So sind manchmal Entscheidungen entstanden, die vom Denken her Sinn machen. Aber Musik braucht essenziell das Gefühl, es zu mögen.

Musik ist Emotion, sie muss berühren.
Eva:
Deswegen ist Musik auch etwas Demokratisches. Jeder kann eine Geschichte aus seiner Erfahrung erzählen. Wenn es ihm gelingt, sie so zu erzählen, dass ein anderer einsteigt, Lust bekommt, sich diese Geschichte erzählen zu lassen, dann ist das großartig. Das Einzige, was jeder besitzt, ist seine Individualität. Da geht es dann nicht um höher, weiter, schneller, sondern wie man sich traut, sich zu offenbaren.

Ändert sich diese Sicht mit dem Alter und der Erfahrung?
Eva:
Mit dem Alter wird es sicher besser, auch wenn man als 20-Jähriger denkt, man folgt nur seinem Ding, fühlt sich individuell. Dass dem nicht so ist, merkt man vielleicht erst zehn Jahre später. Das Schöne mit den Jahren ist, dass man eine heitere Gelassenheit bekommt. Wir sind wir und die anderen sind die anderen. Jonas: Als wir vor zehn Jahren angefangen haben und berühmte Bands getroffen haben, fühlten wir, dass mit denen irgend etwas anders ist als mit den jungen Bands. Heute weiß ich, was das ist. Sie waren entspannter, weil sie aus dem Ich-muss-etwas-beweisen-Modus längst heraus gewesen sind. Diese Gelassenheit bekommt man einfach nur über die Jahre. Ich genieße das im Moment sehr.