Jason Mraz: „Yes, he can“

Von Reinhold Gruber   10.Juli 2014

Ja. Ein kleines Wort, zwei Buchstaben.
Ja. Ein klares Bekenntnis. Ein Zeichen für Positivität. Eine Art Lebensphilosophie.

Das fünfte Album des Songwriters Jason Mraz heißt einfach so. Ja. Also „Yes!“. Und es strahlt eine bemerkenswerte Leichtigkeit aus. So als würde der 37-jährige US-Amerikaner nie unter Druck geraten sein, weil er im Lauf seiner Karriere allein 48 Millionen Singles verkauft hat.

„Ich bin gesund, ich bin glücklich und ich habe alle meine kühnsten Träume verwirklicht. Ich genieße einfach die Reise durchs Leben. Das ist absolut großartig.“ So spricht nur einer, der beide Beine am Boden gelassen hat. Der genießt, was er leben darf.

Leben. Das ist ein gutes Stichwort für „Yes!“ Das Leben spiegelt sich in seinem neuen Album Das Leben, zu dem man Ja sagen muss. Ja verursacht Kreativität, sagt Mraz, und meint damit das, was Kreativität erst möglich macht. „Ja ist Liebe. Ja hat uns das Leben geschenkt. Wir alle sind nur auf der Welt, weil zwei Menschen Ja gesagt haben.“ Dieses Ja steckt in seiner Musik und hat ihn einen Weg gehen lassen, den er sich vor 15 Jahren nicht vorstellen hätte können. Damals, als er mit seinen lebensbejahenden Folk-Pop-Songs in den Coffee-Bars seiner Wahlheimat San Diego auftrat.

Die große Stärke von Mraz ist, dass er nicht viel braucht, um Wirkung zu erzeugen. Er genügt sich mit Gitarre und Stimme. Er macht nicht viel Aufhebens, gefällt sich in seiner Rolle als Geschichtenerzähler, der ohne pompöse Arrangements auskommt. Ein Song wirkt immer dann, wenn er ganz gerade seinen Weg nimmt. Die Songs von Mraz tun dies. Seine Leichtigkeit ist immer noch bemerkenswert, die Lockerheit, mit der Songs wie „Love Someone“, „Quiet“ oder „Long Drive“ daher kommen. Die Lieder von „Yes!“ machen Spaß und fördern die Lebenslust. Klar, dass auch der Urheber seinen Spaß daran hatte.

 

Zusammen mit der befreundeten Folk-Rock-Band Raining Jane aus Los Angeles hat Jason Mraz erstmals ein akustisches Album aufgenommen. War diese Reinheit notwendig, um das Echte zu zeigen?
Jason Mraz: Ja, sehr! Diesen Anspruch habe ich bei jedem meiner Alben gehabt. Seit ich angefangen habe, in Coffeeshops zu spielen, waren alle meine Demos immer akustisch. Wenn man dann im Studio ist, kommt man schnell von diesem Weg ab. Speziell, wenn man bei einer großen Plattenfirma ist, gibt es den Druck, alles möglichst radiokompatibel aufzunehmen, um bestimmte Verkaufzahlen zu erreichen. Die Musik verändert sich unter diesen Bedingungen und klingt irgendwann nicht mehr so wie am Anfang. In vielerlei Hinsicht habe ich daher das Gefühl, bereits viermal gescheitert zu sein, bei dem Versuch, ein akustisches Album aufzunehmen. Jetzt, bei meinem fünften Album, waren meine akustischen Demos endlich überzeugend genug, um als Basis für diese Platte dienen zu können. Der Klang des Albums ist nah an dem der ursprünglichen Demos. Für mich ist das eine riesige Leistung. Und deshalb bezeichne ich die Platte auch als Akustik-Album. Sie hört sich in erster Linie danach an, wie wir zu fünft die Stücke spielen. Es ist der gleiche Sound wie beim Schreiben der Stücke.

Der Albumtitel „Yes“ klingt wie ein Aufschrei, so als hättest du in dem einen Moment gewusst, das ist es. War es so?
Absolut! Das war während meiner Meditation. Ich hatte noch keinen Titel und das Album war schon fast fertig. Zuvor hatte ich schon mit einer Menge von potentiellen Albumtiteln herumgespielt. Ursprünglich sollte die Platte mal „Marry Jane“ heißen, was auf die Heirat zwischen Jason und (Raining) Jane anspielen sollte. Ein anderer Titel war „Ladies And Gentlemen“. Insgesamt gab es eine lange Liste, aber nichts passte so richtig. Ich schaute mir also die Texte der Songs an und fand diesen Satz „A reflection of Yes is in an everchanging sky“. Diese Platte ist eine sehr persönliche Angelegenheit für mich. Ich sage „Yes!“, ich habe es endlich geschafft ein Akustik-Album aufzunehmen.

So verbindet sich der Sound mit dem Inhalt. Es ist eine einheitliche, eine schlüssige Sache.
Das sehe ich auch so. Die Platte basiert auf einem einheitlichen Sound. Man erkennt die einzelnen Instrumente wieder, genauso wie die Stimmen der verschiedenen Sänger. Das Album klingt als würde es eine Geschichte erzählen. Es nimmt dich mit auf eine Reise, und es ermutigt dich, die Menschen in deinem Leben wertzuschätzen, Liebe zu verbreiten, dir selbst und anderen zu vergeben, und dich selbst zu akzeptieren. Es zeigt dir, wie du Zusammenbrüche überwinden kannst, und wie du dich statt auf deinen Kopf mehr auf dein Herz konzentrierst, damit du der Welt um dich herum etwas Gutes tun kannst – der Natur genauso wie den Menschen. Die Platte sagt dir, wie du anderen durch deine positive Einstellung helfen kannst.

Du strahlst dieses Positivität auch persönlich aus. Muss man diese Einstellung zum „Yes!“ lernen?
Ja, das ist nicht einfach. Man muss sehr viel üben. Aber so ist das bei allen Dingen. Es ist auch nicht leicht, sich wie ein Stück Scheiße zu fühlen. Es ist toll eine  Übungsanleitung zu haben, die dir erklärt, wie du dich von deinen schlechten Gefühlen  befreien kannst, um zu lernen, wie du glücklich lebst. Es gibt diesen tollen Satz: „Wir sind stets nur so glücklich, wie es uns unser Geist erlaubt.“ Es gibt unglückliche Menschen, die diesen Zustand selbst gewählt haben und sich nicht davon abbringen lassen, egal was du ihnen gibst oder was du zu ihnen sagst. Die Menschen lieben einfach das Gefühl, schlecht gelaunt, zynisch und sarkastisch zu sein. Es ist nicht leicht, die ganze Zeit über positiv und zufrieden zu sein, aber ich liebe es, diesen Weg zu beschreiten. Ich liebe es, über Liebeskummer und andere alltägliche Desaster lachen zu können. Ich finde es toll, die Fähigkeit zu besitzen, sich über Traurigkeit hinwegsetzen zu können, und sich von Tod und Dunkelheit lösen zu können. Einige dieser Werkzeuge thematisiere ich auch in meiner Musik. Es gibt auf dem Album ein Stück namens „3 Things“. Darin geht es um die drei Dinge, die du tun musst, wenn dein Leben gerade total beschissen läuft. Du kannst weinen, dich bedanken und einen neuen Versuch starten. Das ist eine Sache der Übung. Es ist ganz natürlich zu weinen, weshalb du deine Tränen nicht zurückhalten solltest. Dankbar zu sein ist die Aufgabe, an der man am meisten arbeiten muss. Du musst lernen, das, was du hast, zu akzeptieren. Und dann musst du den Mut aufbringen, von Neuem zu beginnen.

Hat dich jemand in deinem Leben in dieser Richtung bestärkt?
Mein Vater hat in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle gespielt. Er hat im Baugewerbe gearbeitet und ich war lange Zeit bei ihm angestellt. Als wir beide einmal damit beschäftigt waren, Seite an Seite Löcher zu graben, sagte er zu mir: „Sohn, du musst unbedingt das tun, woran dein Herz hängt, dann wirst du nicht einen Tag deines Lebens arbeiten müssen. Das hier ist kein Job für dich.“ Mein Vater hat mich immer unterstützt. Wann immer es mir schlecht ging, war er da, um mich zu trösten und mich wieder aufzubauen. Oder um mir 20 Dollar zu geben, damit ich meinen Weg als Musiker weiterverfolgen konnte. Ich könnte so gut wie jeden Menschen aufzählen, dem ich je begegnet bin. Die Person, die ich heute bin, ist das Resultat einer perfekten Verwirbelung all jener Menschen, mit denen ich mich umgeben habe. Sie alle waren wichtige Lehrer für mich, die mich dazu inspiriert haben, etwas zurückgeben zu wollen. Während ich aufwuchs, hatte ich das Gefühl, dass die Musik, die ich hörte, sich direkt an mich persönlich wendet. Ich fühlte mich persönlich angesprochen und hatte den Eindruck, nicht allein zu sein. Jetzt, wo ich selbst die Möglichkeit habe, Musik zu machen, und weiß, dass mir Menschen zuhören, will ich, dass meine Musik das Herz dieser Menschen berührt.

Gibt es für dich einen Song, der eine ähnliche Funktion hat?
Ich habe mir früher oft „All Is Full Of Love“ von Björk angehört, ebenso wie „No Surprises“ von Radiohead. Mir hat dieser Song immer das Gefühl gegeben, dass alles okay sein wird, ganz egal, was auch passiert. Heutzutage höre ich viele instrumentale Sachen, andächtige Gesänge, von denen ich noch nicht einmal die Texte verstehe. Aber allein das Gefühl, das mir diese Musik vermittelt, erfüllt mich mit Frieden.

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Bei allem Bedeutung des Ja, stellt sich aber schon auch die Frage, ob es nicht genau so wichtig ist, Nein sagen zu können?
Das ist sogar sehr wichtig. Ein „Nein“ ist sehr präzise. „Nein“ bedeutet zudem auch „Nicht jetzt“. Das ist eine sehr kraftvolle Aussage. Nachdem wir das Album „Yes!“ genannt hatten, fiel mir erst auf, in welche Schwierigkeiten dich dieses Wort bringen kann. Mir ist es schon recht häufig passiert, dass ich auf einmal dachte: „Was zum Teufel mache ich hier? Ich hätte wohl besser Nein sagen sollen.“ Das ist eine gute Beobachtung. Vielleicht trägt ja der Titel „Yes!“ dazu bei, dass wir effektivere Wege entdecken, „Nein“ zu sagen.

Video zu „Love Someone“: