Der Cowboy zieht Bilanz

Von Lukas Luger   04.Juli 2014

Der Umstand, dass Willie Nelson ein neues Album veröffentlicht, ist an sich keine Sensation. Denn die Frequenz, mit der die mittlerweile 81-jährige Country-Legende Langspielplatten unters Volk bringt, ist seit Jahrzehnten legendär. Sensationell ist aber, dass "Band of Brothers" zum ersten Mal seit "Spirit" (1996) überwiegend neues Material enthält. Neun der 14 Lieder hat der Zopfträger diesmal selbst komponiert.

Und das ist gut so. Sehr gut sogar. "Band of Brothers" ist ein so berührendes wie lässiges Werk geworden, das den Vergleich mit den 70er-Jahre-Großtaten Nelsons keinesfalls scheuen muss. Musikalische Experimente gibt’s natürlich keine zu hören, dafür herrlich entspannten, erdigen Roots-Country, der vom glattpolierten Nashville-Pop, der in den USA heutzutage als Countrymusik verkauft wird, unendlich weit entfernt ist.

Für sein 69. Studioalbum hat der letzte Cowboy eine Handvoll großartiger Lieder über die Liebe, das Leben und den Tod geschrieben. Das beste davon ist ohne Zweifel die bußfertige Lebensbeichte "The Wall", in der der alte Schlawiner sein bewegtes Leben Revue passieren lässt. Auch durch "Send Me A Picture" und "I’ve Got A Lot Of Travelling To Do" zieht sich eine gewisse Endgültigkeit, die aber nie deprimierend wirkt. Dass Willie Nelson auch im neunten Lebensjahrzehnt seinen Sinn für das Augenzwinkernde nicht verloren hat, beweist er mit "Wives And Girlfriends", in dem der alte Schwerenöter Gott anfleht, dass sich seine Ehefrauen und Gespielinnen nie auf der Straße begegnen mögen.