Ein Roman als Welt-Universum und sein Schöpfer
Am Montag, 25. Februar, liest Philipp Weiss aus seinem Werk "Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen" im Linzer Posthof.
Der Name Philipp Weiss war in der Literaturszene bis zum Herbst 2018 nur wenigen bekannt. Das hat sich geändert, als im renommierten Suhrkamp-Verlag vor wenigen Monaten der Debütroman des 1982 geborenen Wieners erschienen ist. Ob "Roman" die geeignete Genrebezeichnung für das Mammutwerk mit mehr als 1000 Seiten ist, darüber kann man (ergebnislos) streiten. "Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen" besteht aus fünf Einzelbänden, die man laut Autor auch unabhängig voneinander lesen kann. Dennoch bestehen Zusammenhänge. Geht man chronologisch vor, so stehen am Anfang die fiktiven Aufzeichnungen einer gewissen Paulette Blanchard, aus großbürgerlicher Familie stammend und unzufrieden mit ihrem konventionellen Leben. Als Siebzehnjährige sympathisiert sie mit dem revolutionären Projekt der "Pariser Commune" (1870/71), dessen Scheitern sie erlebt. Drei Jahre später folgt sie einem Japaner in dessen Herkunftsland. Beeindruckt von den autobiografischen Aufzeichnungen ihrer Ururgroßmutter Paulette ist im Jahr 2010 die Physikerin und Klimaforscherin Chantal Blanchard. Sie folgt deren Spuren über Sibirien bis Japan, verliert dabei allerdings sowohl Weltbezug als auch Ich-Stabilität. "Ich schrumpfe auf einen Massepunkt" ist der letzte Satz des Bands "Cahiers. Chantal Blanchard". Der um 20 Jahre jüngere, androgyne Künstler Jona, der mit Chantal in einer Art Liebesbeziehung stand, reist im Bann der verschwundenen Geliebten nach Tokio. Davon handelt die Erzählung "Terrain vague". In Japan begegnet Jona einer gewissen Abra, einer jungen Frau mit Arm- und Beinprothese, deren Geschichte in einer von Raffaela Schöbitz gezeichneten Graphic Novel nach Manga-Art umgesetzt wurde. Der fünfte (oder erste?) Band beinhaltet die fiktiven Aufzeichnungen des japanischen Buben Akio, dessen Familie Opfer der Katastrophe von Fukushima geworden ist.
An Philipp Weiss’ außergewöhnlichem Werk scheiden sich die Geister. Begeisterte Kritikerstimmen stehen auf der einen Seite, andere sprechen von einem zynischen Menschenbild und vom Scheitern an überzogenen eigenen Ansprüchen. "Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen" ist jedenfalls eines der außergewöhnlichsten Romandebüts dieses Jahrzehnts.
Philipp Weiss: "Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen". Suhrkamp, 1056 Seiten, 48 Euro