Die Wahnsinnige im Schnee ließ die Zuschauer kalt

Von Michael Wruss   11.Februar 2019

Gut 41 Jahre ist es her, dass es an der Staatsoper eine Premiere von "Lucia di Lammermoor" gab. Zeit also für etwas Neues. Nur hat die aktuelle Premiere am Samstag das "Warum" nicht beantwortet.

Vieles in der Inszenierung von Laurent Pelly wirft mehr Unverständnis auf, als es stringent erzählt. Der Blickwinkel, dass Lucia von Anfang an psychisch belastet ist und von der Männerwelt schamlos ausgenutzt wird, mag interessant sein. Ihr Bruder will mit der Zwangsehe mit Arturo sich selbst retten, und der vermeintlich in sie verliebte Edgardo versucht diese Beziehung nur für die eigenen Ziele auszunutzen. Kein Wunder, dass Lucia dem Wahnsinn verfällt.

Doch wie das in der abstrakten Winterlandschaft (Bühne: Chantal Thomas) und in den grau gehaltenen Kostümen des Regisseurs passiert, lässt einen vollkommen kalt. Man steht viel herum und bedient sich eines starren Rampentheaters. Evelino Pidò ist der ständig forschende Spezialist in Sachen Donizetti und hat für diese Premiere das Autograph der Partitur studiert. Doch nicht jede Genauigkeit mündet in eine packende musikalische Umsetzung. So blieb in der Zusammenarbeit mit dem Orchester vieles ebenso unterkühlt wie die Optik. Nur in diesen seltenen Momenten echter Leidenschaften konnten die Sänger aufblühen.

Am meisten schien unter diesem puristischen Konzept Olga Peretyatko als Lucia zu leiden, die zur grauen Maus reduziert wurde. So blieb auch die Wahnsinnsarie in ihrer originalen Version mit Glasharmonika zerbrechlich kühl und verlor massiv an jener Dämonie, die man spüren könnte. Auch Juan Diego Flórez’ Edgardo musste aalglatt und eiskalt herüberkommen, mit sicheren Spitzentönen, durchaus intelligent, aber scharfkantig phrasiert und ebenfalls nur selten als Charakter aus Fleisch und Blut. Um den bösen Bruder mimen zu können, hätte George Petean sich stimmlich und szenisch mehr ins Zeug werfen müssen. So blieb es bei einer gefällig farblosen Umsetzung. Jongming Park beeindruckte als Raimondo, Lukhanyo Moyake sang artig den Arturo, Virginie Verrez und Leonardo Navarro ließen als Alisa und Normanno aufhorchen. Der ordentlich studierte Chor wurde als kaum bewegliche Masse hingestellt und verstärkte den statischen Eindruck.

Fazit: Nicht immer ist neu besser, vor allem dann, wenn man nur bedingt auf die Kraft der Musik vertraut, was zu einem leeren und seelenlosen Abend geführt hat.