Die Familie, ein Flächenbrand
Jake Gyllenhaal und Carey Mulligan als überforderte Eltern im Kino.
"Wildlife" wirkt wie ein aus der Zeit gefallener Film. Er gleitet ruhig dahin, knapp vor der Schwerfälligkeit. Kaum zu glauben, dass er aus dem hart, hektisch, bombastisch erzählenden Hollywood kommt.
Wer Antennen für zeitgenössische Arbeiten hat, die das soziale Gären unter dem schmucken Deckmantel der 1950er aufarbeiten, fühlt es ab der ersten Einstellung: Dieses Drama spielt mit dem stockkonservativen, beengten Vorort-Familien-Idyll der Nachkriegszeit.
Jerry (Jake Gyllenhaal), Jeanette (Carey Mulligan) und ihr Teenager-Sohn Joe (Ed Oxenbould) wirken wie eine tadellose Mutter-Vater-Kind-Aufstellung: fesch, adrett, freundlich. Je mehr ihnen aber ihre sicher geglaubten Rollen entgleiten, umso stärker erkennt man, dass sie im Eigenheim wie Planeten in einem erdrückend beige-braun gehaltenen Universum sind: verbunden, aber jeder doch allein.
Joe verschwindet, um Wildfeuer im US-Staat Montana zu löschen. Jeanette glaubt, er verlässt sie, und versucht sich zu emanzipieren. Und Joe? Reibt sich zwischen dem Glauben an den Vater, Mutterliebe und der Verantwortung auf, mit der er viel zu jung das familiäre Vakuum füllen will.
Regie führte Paul Dano. Es ist das Debüt des New Yorkers (34), der als Schauspieler im Film "Love & Mercy" (2014) als Beach-Boys-Kopf Brian Wilson und als "Böser" neben Hugh Jackman im Rache-Drama "Prisioners" (2013) überzeugte. Ihm gelingt gutes Kino, weil er das oft wortkarge Spiel äußerst fähiger Darsteller zu einer bittersüßen Symphonie stummer Verzweiflung dirigiert. Die Dialoge, die Dano mit seiner Partnerin Zoe Kazan, Enkelin des Star-Regisseurs Elia Kazan ("Endstation Sehnsucht"), geschrieben hat, zünden zudem: Die drei sprechen kaum wie Eltern und Kind miteinander, sondern als wären sie Freunde. Ein schön unbequemer Film über Erwartungen und Egoismus. Zuletzt brennt es buchstäblich, mehr atmosphärisches Feuer hätte nicht geschadet.
"Wildlife": USA 2018, 105 Min., ab heute