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"Als Tänzer wächst man mit Schmerzen auf, aber geschlagen wurde ich nie"

Von Peter Grubmüller, 23. April 2019, 00:04 Uhr
"Als Tänzer wächst man mit Schmerzen auf, aber geschlagen wurde ich nie"
Dass Füße schmerzhaft gebogen werden, ist im professionellen Tanz normal. Bild: Winkler, dpa, APA

Brutalität in der Tanzausbildung: Mei Hong Lin, die Ballettchefin des Linzer Landestheaters, über Notwendigkeiten und Irrwege bei der Arbeit mit Jugendlichen

"Ich war schockiert, und ich habe es nicht für möglich gehalten, dass es heute noch so etwas gibt", sagt Mei Hong Lin. Die international gefeierte Ballett- und Tanzchefin des Linzer Landestheaters beschreibt im Gespräch mit den OÖNachrichten ihre ersten Reflexe auf die ans Licht gekommenen Unterrichtspraktiken in der Ballettakademie der Wiener Staatsoper. Die Vorwürfe ehemaliger wie aktueller Schülerinnen und Schüler reichen von körperlicher Züchtigung bis zum sexuellen Übergriff (mehr dazu unten).

Ohne Strenge und Disziplin sei im Tanz nichts zu erreichen, sagt Mei Hong Lin. Die Taiwanesin wurde als Kind in klassisch-chinesischem Tanz ausgebildet. "Das ist enorm anspruchsvoll, was Beweglichkeit anbelangt. Man muss sich das nahe an der Akrobatik vorstellen. Und dass wir jeden Tag gebogen wurden, um die physische Flexibilität zu verbessern, das war normal. Im Nachhinein hab ich mich oft gefragt, wie ich das ausgehalten habe. Damals hat sich diese Frage nie gestellt, ich wollte das unbedingt. Als Tänzer wächst man mit Schmerzen auf, aber geschlagen wurde ich nie." Auch Mei Hong Lin habe wie viele in der Wiener Ballettakademie im Internat gelebt. Als Zweitjüngste von insgesamt sieben Kindern (davon fünf Mädchen, allesamt in Ballett ausgebildet), wurde sie als Einzige professionelle Künstlerin.

Einen guten Lehrer zeichne die Fähigkeit aus, Mädchen und Buben die Wichtigkeit der Disziplin zu vermitteln, "ansonsten besteht man im Tanz ohnehin nicht, das ist wie im Leistungssport", sagt Mei Hong Lin. Trotz aller Strenge sei es wichtig, individuelle Persönlichkeiten bei deren Entwicklung zu unterstützen. Mei Hong Lin: "Wir wollen Künstler und keine Soldaten. Und wer Angst hat, wird nie frei tanzen können. Jede Bewegung im Tanz hat einen psychologischen, einen emotionalen Grund. Die Tänzer bewegen sich nicht, weil dieser Sprung oder jene Drehung ästhetisch schön ist, sondern der Input für jede Bewegung kommt aus der Emotionalität. Wir zeigen mit unserem körperlichen Ausdruck den Subtext, warum und wieso Dinge geschehen." Und wegen der physischen Intensität "sollte es auch selbstverständlich sein, dass Lehrer bei Berührungen große Sensibilität an den Tag legen". Schließlich habe jeder, der lehrt, auch selbst einmal getanzt. Und was habe es im Tanz mit dem verbreiteten Hungern auf sich? Mei Hong Lin: "Dick zu sein, ist im Tanz keine Frage der Ästhetik, sondern eine Gefahr für den Partner bei Hebefiguren – und auch für die eigene Körperkontrolle. Abgemagerte Stangen will ich trotzdem nicht, sondern Frauen sollen auch wie Frauen aussehen."

 

"Es stimmt leider, dass ich mich manchmal aufrege"
Ballettakademie-Chefin Simona Noya Bild: APA/STEHKADER

„Es stimmt leider, dass ich mich manchmal aufrege“

„Wir haben zu spät reagiert, zu lange gewartet“, sagte Simona Noya, geschäftsführende Direktorin der Ballettakademie der Wiener Staatsoper, nach Bekanntwerden der Missstände in ihrem Institut durch einen Bericht in der Wiener Wochenzeitung „Falter“.

Schülerinnen und Schüler berichteten von sexuellen Übergriffen eines Lehrers, der Eleven zu sich nach Hause eingeladen und angeboten haben soll, bei der Schamhaarrasur behilflich zu sein. Ein Lehrerkollege soll die Vorfälle bereits 2015 gemeldet haben, aber Noya beteuert, von Hinweisen nichts zu wissen. Einer anderen Lehrerin wurde vorgeworfen, sie habe die Kinder gedemütigt, ihnen außerdem Gewalt und Drill angetan. So soll sie Elevinnen getreten und ein katastrophales Körperbild vermittelt haben. Die Beschuldigte, die bereits einmal aus der Akademie entfernt worden war, wurde nach dem Bekanntwerden der Vorfälle entlassen. Es handelt sich dabei um die 65-jährige Russin Bella Ratschinskaja, die sich nun in dem italienischen Tanzmedium „Giornale della Danza“ zu Wort meldete. „Die ganze Sache wird aufgebauscht“, wird Ratschinskaja zitiert, gegen die die Staatsanwaltschaft neben zwei weiteren Personen offiziell ermittelt. Ratschinskaja: „Ich glaube, dass dahinter Kämpfe um Posten und Einfluss stehen. Das ist etwas Politisches, da geht es ums Geld.“ Zugleich zeigte sich die Ballettlehrerin auch selbstkritisch: „Ich habe Fehler gemacht – das bestreite ich nicht. Mir ging es aber immer um das Ziel. [...] Es stimmt leider, dass ich mich manchmal aufrege, dass ich meinen Schülern viel Disziplin abverlange.“ Zugleich stellte sie gewalttätiges Verhalten in Abrede: „Meine Hände setze ich nur dazu ein, Bewegungen zu demonstrieren.“ Sie habe im Zuge der Vorwürfe jedenfalls extrem positive Rückmeldungen von ehemaligen Schülern und Mitarbeitern der Oper bekommen. Aber nur die wenigsten würden sich an die Öffentlichkeit trauen. Sie liebe ihren Beruf: „Eine Tanzlehrerin zu sein bedeutet, sich ganz unserer Profession hinzugeben. Man muss aber auch verstehen, was der Begriff ,Demut’ bedeutet – wir sind die Diener des Publikums. [...] Unser Beruf ist eine eigene Welt.“

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Autor
Peter Grubmüller
Ressortleiter Kultur
Peter Grubmüller
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