Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Zuerst die Familie, dann die Literatur

Von Peter Grubmüller, 11. November 2017, 00:04 Uhr
Zuerst die Familie, dann die Literatur
Ingrid Noll hat all ihre Mörderinnen lieb gewonnen. Bild: Reuters

Ingrid Noll, die Spätberufene, aber "Hundsgemeine" unter den Schriftstellerinnen.

Manchmal geht alles ganz schnell: 1991 schickte Ingrid Noll unverlangt ein Manuskript an den Schweizer Diogenes-Verlag. Kurz danach rief Diogenes-Chef Daniel Kehl die Roman-Debütantin an und besprach mit ihr die Einzelheiten – für das Erscheinen von "Der Hahn ist tot". 25 Jahre später werden die Kriminalromane mit psychologischem Innenfutter der spätberufenen, inzwischen 82-jährigen Bestseller-Autorin in 27 Sprachen übersetzt.

 

Warum morden bei Ihnen so gut wie immer Frauen, und weshalb kommen Ihre Mörderinnen immer ungeschoren davon?

In den Romanen stimmt es, aber in den Kurzgeschichten hab’ ich auch Frauen auf dem Gewissen. Aber meine Mörderinnen will ich gar nicht im Knast landen lassen, weil ich sie im Laufe des Schreiben alle lieb gewonnen habe. Andererseits waren die Frauen ohnehin viel zu lange Zeit mit üblen Typen zusammen, das ist Strafe genug.

Ursprünglich wollten Sie Ärztin werden, warum kam es nicht dazu?

Wie Sie wissen, war mein Vater ja auch Arzt – und als ich ihm sagte, dass ich Medizin studieren will, antwortete er: "Wenn Menschen ernsthaft krank sind, gehen sie nie zu einer Frau." Heute mag das befremdlich oder lustig klingen, aber damals war die Sache mit diesem Satz vom Tisch.

Wie war es möglich, dass Sie Ihr Schreibtalent bis zum 55. Lebensjahr vor der Öffentlichkeit versteckt haben?

Der Grund dafür ist simpel: Ich hatte bis dahin weder Zeit noch Platz zum Schreiben. Ich habe jahrelang in der Praxis meines Mannes (der Arzt Peter Gullatz, Anm.) mitgearbeitet, außerdem wurde bei uns erst ein Zimmer für mich frei, nachdem unsere drei Kinder ausgezogen waren. Und meine Mutter, die 106 Jahre alt wurde, habe ich auch bis zu ihrem Tod gepflegt. Aber schon in der Schule habe ich viel geschrieben, meine Eins in Deutsch war der Ausgleich für die Fünf in Mathematik.

Welche Erwartungen hatten Sie an Ihr erstes Buch?

Ich wusste damals nicht, ob ich überhaupt ein ganzes Buch schreibe. Für mich war es eher eine Art Experiment. Wenn man so etwas noch nie getan hat, dann weiß man das auch nicht – es hätte ja auch sein können, dass ich nach 20 Seiten müde werde und keine Ideen mehr habe. Deshalb habe ich auch niemandem davon erzählt. Ich hatte zwar schon für meine Kinder freundliche, liebe Kurzgeschichten geschrieben, mal so zwischendurch. Und als das mit den Kindern dann erledigt war, wollte ich richtig hundsgemein loslegen – und siehe da, dann kam auch der Erfolg. Offenbar mögen es die Leute, wenn ich die Sau rauslasse (lacht). Und ich hab’ ja auch Spaß, wenn es in meinen Romanen den Richtigen erwischt.

Wie recherchieren Sie und wie verbringen Sie Ihre Tage?

Ich beobachte die Menschen und lese viel Zeitung, vor allem den Lokalteil. Viele Eigenschaften meiner Figuren sind von meiner näheren Umgebung abgeschaut. Oft stelle ich mir einfach Figuren vor, die ich kenne, und hetze sie dann aufeinander. Bei mir stehen immer die Personen und deren Psychogramm im Vordergrund. Ich interessiere mich ja eigentlich weniger für die Tat, sondern vielmehr für das Warum. Was meine Tage anbelangt, hab’ ich inzwischen einen pflegebedürftigen Mann, um den ich mich kümmern muss, weil er sehr auf mich angewiesen ist. Meistens sehen unsere Nachmittage so aus, dass wir um 15 Uhr einen Espresso zusammen trinken und Scrabble spielen. Gegen Abend bin ich in der Küche, koche, dann essen wir, und abends schauen wir zusammen die Nachrichten im Fernsehen. So spektakulär ist das nicht.

Sie wurden in Shanghai geboren, weil Ihr Vater in China als Arzt arbeitete. Unmittelbar vor der Ausrufung der Volksrepublik haben Sie es 1949 gerade noch geschafft, auszureisen. Welche Erinnerungen an diese Zeit haben Sie?

Die längste Zeit habe ich in Nanjing verbracht, und es sind schöne Kindheitserinnerungen, obwohl ich China nie als meine Heimat empfunden habe. Ich war ja dort auch eine Fremde: Wir wohnten in einem großen Haus mit Dienern, die im Garten ein eigenes Häuschen hatten. Auf jeden Fall hat es mich geprägt, dass ich jahrelang von den Eltern unterrichtet wurde. Den Zwang einer Schule kannte ich nicht, bis ich nach Deutschland kam, und ich hatte Zeit zum Lesen.

Ingrid Noll: "Halali", Roman, Diogenes, 320 Seiten, 22,70 Euro

mehr aus Kultur

Song Contest: Ein "Schlampen"-Lied spaltet Spanien

Komödie „Alles in bester Ordnung“: Wenn das "Lieber aufheben" überhand nimmt

"Typisch österreichische Feindseligkeit"

Knalleffekt für #MeToo-Bewegung: Weinstein-Urteil aufgehoben

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen