Wunderkind Alma entführte in eine Cinderella-Traumwelt

Von Michael Wruss   19.Februar 2018

Sie ist ein Ausnahmetalent und hat das am Sonntag in der Brucknerhaus-Matinee eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Alma Deutscher – gerade einmal 13 Jahre alt– wird momentan herumgereicht wie das 9. Weltwunder, wie einst Franz Liszt oder die Wieniawskis. Ihre Musik schwelgt in der Vergangenheit, ist mit romantischen Kantilenen gespickt und möchte in eine heile Welt entführen. Dazu passt auch perfekt Alma Deutschers verspieltes Cinderella-Outfit. Daran erfreute sich ein Teil des Publikums, das schon nach dem ersten Satz Beifall klatschte und sich nach dem Konzert zu Standing Ovations hinreißen ließ.

Das von ihr mit neun Jahren komponierte g-Moll-Violinkonzert weist zwei ungemein dichte Sätze im Stil Mendelssohns auf und zeugt von einer großen melodischen Begabung, aber noch viel mehr von einem versierten Umgang mit der Harmonik. Der originelle, weil am ehesten dem frechen Geist eines Kindes entsprungene dritte Satz bietet hingegen bei weitem keine derartige Gewandtheit. Der Wert dieser Komposition ist für Alma Deutscher sicherlich unschätzbar, für die Musik unserer Zeit weitgehend fraglich. Denn Stilkopien – so phantasievoll sie auch sein mögen – sind nur bedingt Kunst. Würde sie in fünf Jahren selbst mit größerer Bravour noch immer dasselbe Konzert spielen, dann wäre es allerdings bedenklich.

Eine quirlige junge Dame

Nicht gleichermaßen beeindruckend war das Improvisationsspielchen, das ihre pianistischen Fähigkeiten zeigen sollte. Das Publikum zog vier Töne, und Alma baute diese in ein chopinartiges Nocturne ein; nicht sehr oft und nicht als prägnantes thematisches Material. Auch wenn das Stückchen für eine 13-Jährige beachtenswert war, wirkte das eher wie eine Zirkusdressur, wie einst Mozart mit verbundenen Augen oder mit dem Rücken zum Klavier spielen musste. So löste dieser von der quirligen jungen Dame in feinem Deutsch lebendig moderierte Zugaben-Teil nicht mehr so exorbitanten Beifall aus.

Zu hoffen ist, dass Alma nicht in ihrer eigenen Traumwelt verheizt wird, sondern sich zu einer universell gebildeten Musikerin entwickeln kann, ohne psychische Abstürze wie etwa beim hymnisch gefeierten Geigenstar Midori. Trotz aller Alma-Manie muss die bestechende Leistung der Festival Sinfonietta unter Lui Chan bei Schuberts italienischer Ouvertüre in C und Haydns Paukenschlag-Symphonie hervorgehoben werden – herausragende Musik auf herausragendem Niveau.

Brucknerhaus Linz: Matinee mit der Festival Sinfonietta Linz und Alma Deutscher als Solistin, 18. Februar

OÖN Bewertung:

 

Zur Person

Bereits im Alter von vier Jahren begann die 2005 in Oxford geborene Alma Deutscher Geige zu spielen und ihrem Vater Melodien zu diktieren. Mit sechs Jahren notierte sie ihre erste Klavier-Sonate selbst. Mit sieben Jahren komponierte sie ihre erste Oper, Ende Dezember 2016 wurde ihre zweite Oper „Cinderella“ in Wien uraufgeführt.