Wolf Haas: "Mein Romanheld hat 15 Kilo abgenommen, ich nur 13"
Wolf Haas erzählt in seinem feinen Roman "Junger Mann" auch über sich als 13-Jährigen, den man für ein dickes "Fräulein" hielt – und einen Trip zur ersten großen Liebe.
"Schreiben ist für mich etwas Dialogisches. Ich will ja niemandem eine Geschichte vor den Latz knallen, sondern die Menschen dazu verführen, dass sie weiter und weiter lesen möchten", sagt Wolf Haas. Wer diesem Schriftsteller gegenübersitzt, der ahnt, dieser Mann weiß in jedem Augenblick, was er tut. Trotz dieser merkwürdigen, beinahe liebenswerten Unsicherheit, die er nicht einmal zurückgelehnt sitzend abschüttelt. Mit "Junger Mann" stellt er seinen Verführten den dritten Nicht-Krimi ins Bücherregal – und der ist ein starkes Stück Literatur:
Wir schreiben das Jahr 1973, wir befinden uns im Salzburger Pinzgau, und wir belauschen einen 13-jährigen Internatsschüler, der genauso alt ist, wie sein Verfasser damals war, und dessen alkoholabhängiger Vater im "Irrenhaus" einsitzt und den Nachnamen "Haas" trägt. Der pubertierende Ich-Erzähler jobbt während des Sommers in einer Tankstelle – an einem melancholieträchtigen Ort. Er leidet unter manchem, vor allem aber unter seinem starken Übergewicht, das ihn zum "dicken Wuzel" mit Beatlesfrisur macht und Autofahrer dazu veranlasst, ihn für ein "Fräulein" zu halten.
Elsas überirdisches Lächeln
Und dann steht eines Tages der Wagen des Lkw-Fahrers Tscho aus dem Nachbarort mit Elsas überirdischem Lächeln darinnen an der Zapfsäule und gibt dem Leben des adipösen Tankwarts ein neues Ziel: abnehmen und dem Tscho die Frau ausspannen. Weil der Bub gut Englisch kann und Elsa zu gerne wissen würde, was mit den Zeilen George Harrisons "let your love flow" gemeint ist, kommt er in seinen Angelegenheiten, unterfüttert von strenger Diät, recht gut voran. Das "Fräulein" wird allerdings auch für den feschen Lkw-Fahrer immer attraktiver, weil der wegen einer Zollangelegenheit in Griechenland jemanden gebrauchen kann, der auf der "Pfaffenschule" gelernt hat, mit Sprachen umzugehen. So landet der über beide Ohren Verknallte auf dem Beifahrersitz eines Romans, der stets flotter wird.
Wolf Haas sagt, er möge es nicht, sofern über sein Buch zu viel verraten wird, also bremsen wir uns hier ein. Das mit dem Übergewicht sei jedenfalls seiner eigenen Jugend hinterhergeschrieben, wie vieles andere auch. "Allerdings hat mein Romanheld 15 Kilo abgenommen, und ich hab’ nur 13 abgenommen." Lediglich einige Figuren kämen besser und sympathischer davon, als sie tatsächlich waren, sagt Haas. Warum er diesmal über sich selbst schreiben wollte? Haas: "Dieses Buch war immer vor allen anderen meiner Bücher geplant – und dann ist es doch jedes Mal etwas anderes geworden. Es ist ja auch nicht so einfach, sich seiner eigenen Kindheit und Jugend zu stellen." Es bestehe ja immer die Gefahr, dass man sich versteckt und doch zu feig ist, so zu schreiben, wie man schreiben sollte.
Wolf Haas: "Junger Mann", Hoffmann und Campe, 240 Seiten, 22,70 Euro