Wo ist das Neue an der Neuen Musik?
„Musicians & Machines“ standen im Zentrum der 9. großen Konzertnacht im Rahmen des Ars Electronica Festivals, die am Sonntag im Lentos begann und im Brucknerhaus und im Donaupark ihre Fortführung erfuhr.
Gleich zu Beginn Maschinen, die computergesteuert auf zwei bzw. gar sieben Klaviere donnerten und einmal das traute Rosenkranzgebet in klavieristische Klänge verwandelten, bzw. kurze Melodiephrasen auf sieben Klavieren im Kreis tanzen ließen.
Beeindruckende Installationen, aber Musik? Vor allem Neue Musik? Da begeisterte die sehr gelungene Aufführung von Edgar Varèses „Arcana“ wesentlich mehr. Denn vieles, was heute als modern hingestellt wird, hat seine Wurzeln in den überaus penibel notierten, rhythmisch höchst komplexen und harmonisch und dynamisch jedes damalige Musikdenken sprengenden Werken des amerikanischen Komponisten italienisch-französischer Herkunft. Doch „Arcana“ ist nicht bloß eine Lärmorgie, ein unstrukturiertes Auflaufen von rund 100 Einzelklängen, sondern es ist emotionale Musik, die auch die leisen Töne kennt und zum Schluss gar im Nichts verhaucht. Sehr gut vom Bruckner Orchester unter Dante Anzolini umgesetzt.
Weniger prägnant gelungen war Friedrich Cerhas „Monumentum“, das wesentlich differenziertere Klangfarben und mehr strukturelle Durchhörbarkeit verlangt hätte. Doch auch hier Lob für das sonst eher selten solche Stücke spielende Orchester.
Nichts Spektakuläres
Die Visualisierungen – Rainer Kohberger (Arcana) und Sebastian Neitsch, Woeshi Lean, Refik Anadol und Efe Mert Kaya (Monumentum) – spielten mit den üblichen Veränderungen von Formen und Farben, die nur teilweise auf die Musik abgestimmt waren. Zwischendrin mit „Metachos“ der Beitrag des heurigen Preisträgers der Goldenen Nica für Animation, Alessandro Bavari. Ein spektakuläres Video, dessen Botschaft aber auch als gewaltverherrlichend missverstanden werden kann.
Nach einer Varèse-Beschallung des Donauparks kam dann das echte Highlight des Abends mit dem Open Reel Ensemble. Als „Reel to reel Tape Machines“ werden im Englischen unsere guten alten Spulentonbänder bezeichnet, mit denen die japanische Gruppe um Kimitoshi Sato Musik macht. Ähnlich dem Scratching lassen sich auch die Tonbänder zur ungewöhnlichen Soundgenerierung einsetzen, lassen sich vor- und zurückspulen, synchronisieren und mit Computer-Beats und live gespielten Instrumenten kombinieren. Eine ziemlich laute Funky Music, deren Idee sicherlich originell ist, aber in der begeistert vom Publikum aufgenommenen Ausführung doch über ein nettes Aha-Erlebnis nicht hinausreicht – Neue Musik war das sicherlich nicht.
Auch nicht unbedingt neu „Principio Passionis“, ein Werk von Dirigent Dante Anzolini, klangschwelgerisch und sehr harmonisch, allerdings wenig dynamisch und nach der Tonband-Orgie kaum Aufsehen erregend. Auch Alan Hovhaness‘ zweite seiner 67 Symphonien, in Amerika als „Mysterious Mountain“ sehr bekannt, ersoff ein wenig in der zu schmalzig geführten Klanglichkeit.
Für ansprechende, aber nicht aufregende Bilder sorgten LIA (Anzolini) und Daito Manabe, Motoi Ishibashi und Satoru Higa (Hovhaness).
Insgesamt ein spannender Abend, der jedoch zum neunten Mal die Frage nach der wirklich Neuen Musik aufwarf. Offensichtlich gibt es die nicht.