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"Wenn man Schnitzler oder Nestroy mit einer deutschen Diktion erzählt, halte ich das für Unfug"

Von Karin Schütze, 07. Dezember 2017, 06:34 Uhr

Weihnachten ist für ihn auch "Ein Fest des Lachens". Mit seiner heiteren Adventlesung ist Schauspieler Heinz Marecek am 12. Dezember in Traun und am 20. Dezember in Gmunden zu Gast. Was er am Theater vermisst, hat der 72-Jährige den OÖN erzählt.

Stundenlang könnte man ihm zuhören, wenn Heinz Marecek erzählt. Was am Theater anders geworden ist, wie er Friedrich Gulda kennengelernt hat, warum er Karl Popper und Bertrand Russell liebt und Theodor W. Adorno weniger, verrät er im Gespräch.

Sie stehen seit 51 Jahren auf der Bühne. Was hat sich in Ihrer Branche am meisten verändert?

Viel. Das Traurigste ist, dass der Riesenspaß in der Form nicht mehr existiert. Der Zugang zum Beruf, diese Riesenhetz, die wir vor, bei und nach jeder Probe hatten – speziell an der Josefstadt –, die gibt es lang nicht mehr so, den großen Spaß am Komödiantentum. Und ganz entscheidend verändert hat sich die Position des Bühnenbildes. Vor 50 Jahren war es ein Hintergrund, vor dem gespielt worden ist. Diese dienende Funktion hat das Bild abgeworfen und ist zu einer sehr selbstherrlichen Figur am Theater geworden. Viele Ausstatter und Regisseure erzählen die Geschichte nicht mehr über die Schauspieler, sondern zum Teil über das Bild, was für mich sehr fragwürdig ist. Ich finde, am Theater ist der Schauspieler der Geschichtenerzähler. Da muss man nicht künstliche Räume schaffen, wo unter Umständen das Bild von ihm ablenkt. Wenn das Bild vordergründig wird, schau ich weg.

Woran liegt es, dass der Spaß weg ist?

Ich bin ganz weit weg von nationalistischen Ideen. Aber ein spezieller Wiener Theaterton hat aufgehört zu existieren, weil sehr viele deutsche Schauspieler hier sind. Die hier Ansässigen machen eher die deutschen Kollegen nach. Dieser österreichische Ton hat bei gewissen Dingen eine ganz spezielle Farbe erzeugt. Wenn man Schnitzler, Hofmannsthal oder Nestroy mit einer deutschen Diktion erzählt, halte ich das für Unfug. Es würde keinem Österreicher einfallen, den Hauptmann von Köpenick zu spielen. Das ist ein Berliner, eine Traumrolle, aber für einen Deutschen geschrieben, das kann auch nur ein Deutscher spielen, mit der Berliner Schnauze. Aber sie finden nichts dabei, dass die deutschen Kollegen Schnitzler spielen. Das finde ich schade. Es hat eine österreichische Melodie am Theater gegeben, auch wenn sie nicht für alle Stücke gut war. Das ist verschwunden im Sinn einer sehr großen Anpassung ans deutsche Theater.

Was würden Sie jungen Kollegen raten?

So eine spezielle Anleitung zum Schauspielerberuf halte ich für falsch. Es gibt so viele Seiten, von denen man sich diesem Beruf nähern kann. Außer, was für alle Berufe gilt: Sei fleißig. Ich kenne einige sehr berühmte Kollegen und Kolleginnen, wo mit einem wirklich bescheidenen Quantum Talent, aber einem ungeheuren Fleiß und unerbittlichen Willen erstaunliche Karrieren passiert sind. Dann gibt es ungeheure Begabung, die sich verflüchtigt hat, weil disziplinäre Verhaltensweisen nicht eingehalten werden. Das Einzige – die flankierenden Maßnahmen sind wichtig: Wie gehe ich mit Rückschlägen um, mit Enttäuschungen, mit schlechten Kritiken? Das sind Dinge, die kommen wie das Amen im Gebet. Da muss man das psychische Rüstzeug haben, sich nicht irremachen zu lassen. Bei mir war es ja so, dass keines meiner Kinder, mit denen ich einen herzlichen und schönen Kontakt habe, jemals das Gespräch mit mir gesucht hat, dass sie dasselbe machen wollten.

Waren Sie froh, nicht gefragt worden zu sein?

Ja, weil ich es richtig finde. "Es ist doch eh normal, dass wir das machen." – Das fand ich schön.

Sie leben auf Ibiza, nicht nur im Winter?

Wir leben wirklich dort, in einer schönen alten Finca. Wir sind ins Dorf integriert, sind bei jeder Hochzeit, bei jedem Begräbnis eingeladen.

Auf Ibiza haben Sie Friedrich Gulda kennengelernt. Wie ist das passiert?

Ja, das war sehr witzig. Wir sind im Dorf gesessen. Da kam ein Mann, der aufgefallen ist, weil er im August einen dicken Kaschmir-Pullover angehabt hat und das berühmte Kapperl. Bei einem Antiquitäten-Händler im Dorf hab ich daraufhin ein Bonsai-Klavier mit einer Spieluhr gekauft. Das hab ich ihm gebracht: "Falls Sie etwas zum Üben brauchen." Er ist dann sehr oft bei uns gewesen zum Schachspielen und hat eine Sondervorstellung für uns gemacht. Wir hatten im Haus ein Klavier, aus der Zeit meines Schwiegervaters. Darauf hat er gespielt, eine Mozartsonate, von der er fließend ins Fiakerlied übergegangen ist.

Sie sind ein Karl- Popper-Fan. Sind Sie auf der Suche nach einer besseren Welt?

Ja, wie wir alle, aber die Suche wird von Tag zu Tag immer schwieriger. Das waren die zwei wichtigsten Menschen für meinen Kopf: Popper und Bertrand Russell. Denen bin ich sehr früh, so mit 15, 16 Jahren, in die Hände gefallen. Sie sind die zwei klarsten Denker, die mit einer unglaublich klaren Sprache das sagen, was sie wollen und denken. Unverschnörkelt, unbombastisch. Das hat mich so geprägt, dass ich mit diesem ganzen Unfug von Adorno nichts anfangen kann. Mit diesen Pseudo-Formulierungen. "Was ist Kunst?" – wenn man das liest, das ist nur ein Schwanz von Worten. Von Heidegger, dem Obertrottel, möchte ich gar nicht reden. "Das Nichts nichtet" – das muss man sich als erwachsener Mensch nicht sagen lassen. Aber auch Adorno, Horkheimer, Marcuse – die ganzen Frankfurter habe ich nicht ausgehalten. Weil ich verdorben war von diesen beiden kristallklaren Denkern. Der Russell ist mir zufällig in die Hände gefallen, ein Reclam-Buch "The Conquest of Happiness" (deutscher Titel: "Eroberung des Glücks", Anm.). Ich hab’ mir sofort das nächste gekauft. Dann kam der Popper. "Alles Leben ist Probleme lösen", "Auf der Suche nach einer besseren Welt", "Alle Menschen sind Philosophen". Beide haben einen tiefen Humor, mit dem sie auch über die ernstesten und wichtigsten Sachen reden können.

TERMINE IN OÖ UND ZUR PERSON

In Linz: „Ein Fest des Lachens“ mit Texten von Friedrich Torberg, Egon Friedell, Helmut Qualtinger und Christine Nöstlinger feiert Heinz Marecek am 14. 12., 20 Uhr, in der Spinnerei Traun (Karten: 07229/62032, office@kulturpark.at) und am 20. 12., 19.30 Uhr, im Stadttheater Gmunden, OÖN-Tickethotline: 0732 7805 80

Theater: Der Wiener Heinz Marecek (72) absolvierte das Max-Reinhardt-Seminar. Ab 1968 spielte er an der Wiener Volksoper, von 1971–1998 am Theater in der Josefstadt und Kabarett mit Karl-Heinz Hackl.
Der zweifache Vater lebt mit seiner Frau auf Ibiza.

TV: Als Serienheld begeisterte Heinz Marecek u. a. in „Wenn der Vater mit dem Sohne“ (1971), „Lindenstraße“, „Der Bockerer“, „Die liebe Familie“, „SOKO Kitzbühel“ und zuletzt im Spielfilm „Maikäfer flieg“ (2016).

Autor: Mit „Lauter lachende Lyrik“ legt Heinz Marecek seine persönliche Gedichtesammlung vor (Amalthea, 2016). Ebenfalls bei Amalthea erschienen sind „Leben ohne Rezept“, das Lebensweisheiten und Kochrezepte vereint (2015), und „Ich komme aus dem Lachen nicht heraus: Erinnerungen“ (2011).

 

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4  Kommentare
4  Kommentare
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jago (57.723 Kommentare)
am 08.12.2017 14:14

> Wenn man Schnitzler, Hofmannsthal oder Nestroy mit einer deutschen
> Diktion erzählt, halte ich das für Unfug.


Zwischendrin, eher dem Bayrischen zugewandt, habe ich die Wahl zwischen Scylla und Charybdis grinsen

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ichauchnoch (9.778 Kommentare)
am 07.12.2017 10:31

Die hier Ansässigen machen eher die deutschen Kollegen nach. Dieser österreichische Ton hat bei gewissen Dingen eine ganz spezielle Farbe erzeugt. Wenn man Schnitzler, Hofmannsthal oder Nestroy mit einer deutschen Diktion erzählt, halte ich das für Unfug...
Besser könnte man es nicht sagen. Danke Herr Marecek!!!

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( Kommentare)
am 07.12.2017 12:20

Gilt vielleicht für Österreich. Aber sollen andere, des Deutschen mächtige Zuseher keinen Zugang zu den genannten Autoren haben?

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susisorgenvoll (16.568 Kommentare)
am 07.12.2017 07:14

Heinz Marecek ist ein genialer Schauspieler und auch ein ganz sympathischer Mensch! Seine Ansichten sind so herrlich "normal", gar nicht abgehoben, was man bei Künstlern sehr selten findet.

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