Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Was die Gedankenleser von der Gehirnforschung schon alles können

07. September 2013, 00:04 Uhr
Was die Gedankenleser von der Gehirnforschung schon alles können
John-Dylan Haynes, Hirnforscher aus Berlin, blickt tief ins menschliche Gedankengebäude. Bild: David Ausserhofer

Brain reading ist keine Science-Fiction mehr: Mittlerweile zeigen Gehirnscanner detailliert an, welche Bilder uns durch den Kopf geistern

Was kann die Gehirnforschung schon und was wird sie in Zukunft können? Der deutsche Wissenschafter John-Dylan Haynes beschäftigt sich genau mit dieser Frage. Der Hirnforscher ist zu Gast beim derzeit laufenden Ars Electronica Festival in Linz.

OÖNachrichten: Mit welchen Mitteln forschen Sie?

Haynes: Wir verwenden moderne Messverfahren, mit denen wir die Gehirnaktivität aufzeichnen können, vor allen Dingen die funktionelle Kernspintomografie. Das sind die bekannten Hirnscanner. Man schiebt jemanden in diese Röhre, an die ein starkes Magnetfeld angelegt ist. Damit kann man auf wenige Millimeter genau die Gehirnaktivität messen.

Sie sehen also nach, welche Gehirnregionen bei welcher Tätigkeit mehr oder weniger durchblutet sind?

Genau gesagt, messen wir den Sauerstoffgehalt des Blutes. Es verändern sich die magnetischen Eigenschaften des Blutes, je nachdem ob es viel oder wenig Sauerstoff bindet. Wenn Nervenzellen aktiv sind, brauchen sie Sauerstoff, und am Ende einer Kaskade von Prozessen steht eine Änderung des Magnetisierungsgrades der roten Blutkörperchen.

Wie weit sind Sie denn schon mit dem Auslesen von Gedanken aus dem Gehirn?

Am Anfang hat sich die Forschung darauf konzentriert, inwieweit man visuelle Bilder, die jemandem gezeigt werden, aus der Hirnaktivität auslesen kann. Das ist bis zu einem gewissen Grad schon möglich. Im letzten Jahr sind Verfahren aufgekommen, mit denen man das in immer feinere Details auflösen kann. Während man früher nur sehr grob sagen konnte, ob jemand ein Gesicht, ein Haus oder eine Katze sieht, kann man inzwischen schon viele Details auslesen. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass man nicht nur die Kategorien der Bilder unterscheiden, sondern noch viel genauer hineinschauen kann. Man sieht zum Beispiel, um welche Katze es sich handelt.

Wie sieht es aus mit Bildern, die sich bloß in unserer Erinnerung oder in unserer Vorstellung befinden?

Man kann sich durchaus auch die interessante Frage stellen: Wie funktioniert das, wenn ich mir ein Bild nur vorstelle und im Vergleich dazu ein Bild ansehe? Stellen wir uns vor, ich hätte zuhause eine Katze und ich sähe sie vor mir. Oder aber ich bin nicht zuhause und stelle mir die Katze bildlich vor. Die Gehirnforscher fragen sich: Ist die Sprache des Gehirns in beiden Fällen gleich?

Und ist sie das?

Ja, bis zu einem gewissen Grad. Man kann einen Computer auf Bilder der Gehirnaktivität trainieren, während jemand seine Katze sieht, und kann dann vorhersagen, welches Tier jemand sieht, wenn dieser sich seine Katze auch nur vorstellt.

Was wollen die Forscher noch aus den Tiefen des Gehirns ans Licht bringen? Wörter, Sprache …

Das Feld hat sich in den vergangenen Jahren extrem diversifiziert. Wir haben uns eine Reihe von Gedanken angesehen: Emotionen oder das Belohnungssystem. Ein ganz wichtiger Teil, den wir untersucht haben, spannt sich um die Frage: Kann man Handlungspläne, die Menschen haben, aus der Gehirnaktivität auslesen? Wenn ich mir also etwas vorgenommen habe zu tun, ohne es jemandem gesagt zu haben, was ich tun werde – kann ich das aus der Gehirnaktivität dekodieren?

Es heißt, die Gedanken sind frei. Entsteht nicht durch die Möglichkeit des Gedankenlesens ein enormes Missbrauchspotenzial?

Absolut. Die ethische Frage ist eine, die wir schon sehr früh angesprochen haben. Man muss schon sensibel sein und vorsichtig damit umgehen, wenn man den Blick in das menschliche Gehirn wagt und daraus etwas über die menschlichen Gedanken erfährt. Denn man geht üblicherweise davon aus, dass die Gedanken eines Menschen privat sind. In dem Lied „Die Gedanken sind frei“ heißt es weiter: „Niemand kann sie erraten.“ Das führt uns zum zentralen Thema: Mein Gewissen ist privat, ich kann mir in meiner Vorstellung alles Mögliche ausmalen – solange ich es nicht in die Handlung umsetze, bin ich frei. Das sollte auch so bleiben.

In dem Film „Minority Report“ wird genau das thematisiert. Schon der Gedanke an eine Straftat führt dort zur Verhaftung durch eine „Gedankenpolizei“...

Es gibt eine Reihe von forensisch relevanten Situationen, wo zumindest theoretisch solche Verfahren eingesetzt werden könnten. Ein Beispiel, bewusst zugespitzt: Ein Entführungsopfer droht zu verhungern, der Entführer gibt den Aufenthaltsort des Opfers nicht preis. Wenn es nun Forschungsverfahren gäbe, mit denen man in ein derart widerspenstiges Gehirn hineinschauen könnte, unter solchen Extrembedingungen... Soll man das dann tun dürfen? Das sollte man diskutieren.

Wie weit ist die Forschung davon entfernt, Gehirnaktivitäten aktiv zu beeinflussen, wie es im SF-Film „Total recall“ mit Arnold Schwarzenegger entworfen wurde?

In Filmen wie „Total recall“ oder auch „Matrix“ wird thematisiert, wie Maschinen die Sprache des menschlichen Gehirns verstehen können. Das können wir heute noch nicht. Und mit Brain writing sind wir noch viel weiter von der Science-Fiction entfernt als mit Brain reading. Wir haben keine Techniken, mit denen wir feinkörnige Aktivitätsmuster ins Gehirn einprogrammieren können. Es ist auch nicht klar, wie das prinzipiell funktionieren könnte. Es gibt eine Vorstellung davon, wie man Informationen aus dem Gehirn auslesen kann, aber keine Vorstellung davon, wie man etwas hineinschreiben kann. Selbst die Science-Fiction-Filme sehen an solchen Stellen immer relativ blass aus. Würde man eine realistische Gehirn-Computer-Schnittstelle machen wollen, die ein holistisches Erlebnis erzeugt, müsste man das ganze Gehirn stimulieren können. Da sind wir weit weg davon.

 

Gehirnforschung – Thema des Ars Electronica Festivals

John-Dylan Haynes (42) ist Psychologe und Gehirnforscher. Er arbeitet als Professor für Theorie und Analyse weiträumiger Hirnsignale am Bernstein Center for Computational Neuroscience am Center for Advanced Neuroimaging der Charité Berlin. Haynes und sein Team forschen über die neuronalen Grundlagen von Bewusstsein und Willensfreiheit
Haynes spricht morgen, Sonntag, beim Total Recall Symposion im Brucknerhaus im Rahmen des Ars Electronica Festivals 2013. Sein Part bezieht sich auf Schlüsselszenen aus Science-Fiction-Filmen wie „Total Recall“, anhand derer Haynes die gegenwärtigen und künftigen Potenziale der Hirnforschung darstellt.
Festivalprogramm: www.aec.at
 
mehr aus Kultur

Auktion: Wird Klimts "Fräulein Lieser" zum Millionen-Deal?

Vorturner Andi Goldberger: "Philipp hat das sehr gut gemacht"

Stefan Bachmann eröffnet seine Burgtheater-Intendanz mit "Hamlet"

Vassileva trommelt Ebensee zusammen

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen