Teure Tanker und prekäre Verhältnisse

Von Peter Grubmüller   09.September 2017

Zehn Jahre lang war er Burgtheater-Geschäftsführer, acht Jahre Direktor der Vereinigten Bühnen Wien, seit Mai 2016 ist Thomas Drozda (SP) Kulturminister. Im Interview mit den OÖN erläutert der gebürtige Oberösterreicher, was er plant, sollte er auch nach der Nationalratswahl im Amt bleiben.

 

OÖNachrichten: In Ihren 15 Monaten als Minister haben Sie die Führung von Staatsoper (Bogdan Roscic ab 2020), Belvedere (Stella Rollig bereits im Amt), Kunsthistorischem Museum (Eike Schmidt ab Mitte 2019) und Burgtheater (Martin Kusej ab 2019) neu besetzt. Sind es Personalentscheidungen, auf die ein Kulturminister reduziert ist?

Thomas Drozda: Diese Frage hab’ ich mir auch schon gestellt. Tatsächlich heißt Kulturpolitik zweierlei: Einerseits strukturelle und finanzielle Maßnahmen zu diskutieren und zu implementieren, andererseits – und das ist medial der interessantere Part – Personalentscheidungen. Je älter ich werde, desto mehr wird mir bewusst, dass Personalentscheidungen tiefgreifende Entscheidungen sind, weil damit auch die inhaltliche Ausrichtung einhergeht.

Welche inhaltliche Bilanz ziehen Sie bisher?

Im Gegensatz zu dem, was sich gerade in der Steiermark und auch in Oberösterreich abspielt – überall dort, wo Schwarz-Blau regiert –, haben wir das Kulturbudget erhöht, zuletzt um 13 Millionen Euro. Außerdem haben wir Vorkehrungen getroffen, dass personenbezogene Förderung erhöht wird, was auch den freien Gruppen zugute kommt. Große Tanker wie die Bundestheater sind gut finanziert – genauso wie die Museen, für die ich zwei Millionen Euro durchsetzen konnte. Aber im Bereich der freien Szene gibt es große Probleme, weil viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse existieren.

Wie interpretieren Sie Stelzers zehnprozentige Kürzung des Kulturbudgets?

Ich kenne Landeshauptmann Stelzer nicht persönlich. Ein Eindruck ist aber schon, dass er das Vermächtnis seines Vorgängers Josef Pühringer in Frage zu stellen scheint. Ich will Stelzer nicht zu nahe treten, aber wenn die erste Maßnahme, mit der er kulturpolitisch in Erscheinung tritt, eine Budgetkürzung ist, dann ist das kein gutes Statement.

In Ihrem kulturpolitischen "Plan K" steht auch: Gratis-Eintritt in Bundesmuseen an Sonntagen. Darüber freuen sich Oberösterreicher vielleicht bei Wien-Ausflügen, ansonsten schlägt diese Maßnahme in den Bundesländern nicht auf. Wie ist es möglich, die Bundesländer kulturpolitisch mitzudenken?

Es ist die Frage, wie wir das Zusammenspiel der Gebietskörperschaften, wie wir den Föderalismus anders organisieren. Sie haben mit dem Hinweis Recht, dass es eine bessere kulturpolitische Gesamtstrategie braucht. Ich habe mir vorgenommen, mindestens zweimal jährlich die Kultur-Entscheidungsträger von Bund, Ländern und relevanten Institutionen zusammenzuholen. Mich stört auch das Ausmaß an bürokratischen Hürden, die Künstler zu überwinden haben, weil wir als Bund erst bezahlen, wenn Gemeinde und Land ihre Förderung bestätigt haben. Gleichzeitig bin ich uneingeschränkt für die Valorisierung der Subventionen.

Apropos Valorisierung: Das aktuelle Ars Electronica Festival ist ein herausragendes Alleinstellungsmerkmal. Bei einem Budget von 1,3 Millionen Euro aus öffentlicher Hand kommen 170.000 Euro vom Bund – stagnierend seit zehn Jahren.

Richtig, in jedem Bereich muss es Möglichkeiten geben, Gehaltssteigerungen und Struktureffekte zu finanzieren. Und es ist nicht zu verstehen, warum das in der Kultur als einziger Bereich jedes Mal ein Gnadenakt ist. Bei einem Kulturbudget von 450 Millionen und einer Inflationsrate von zwei Prozent geht es um 9 Millionen Euro. Angesichts des Bundesbudgets von 70 Milliarden sage ich – so what!

Für Film, Radio und Fernsehen fordern sie 30 Prozent österreichische Inhalte. Geht es nicht ohne Quote?

Wenn man 650 Millionen Euro an den ORF als De-facto-Abgabe leistet und an die Privaten auch Beträge von rund 30 Millionen Euro ausschüttet, muss man auch inhaltliche Ziele verfolgen dürfen. Ein Ziel kann sein, dass einerseits heimischer Journalismus finanziert wird. Im Fall des ORF sind das 1500 Journalisten, das ist eine gigantische Dimension, mit – zugegeben – hoher Qualität. Der andere Punkt muss die Förderung der heimischen Kreativwirtschaft sein. Das abschreckende Beispiel sind die deutschen TV-Ableger, bei denen 400 bis 500 Millionen in Werbefenster fließen, ohne an die heimischen Kreativen zu denken. Abgesehen von Puls4, dort wird heimisches Programm gemacht.

Wie wird sich der ORF insgesamt nach der Nationalratswahl verändern. Es wird Teilprivatisierung diskutiert?

Das duale System ist richtig und soll bleiben. Wir sind alle gut beraten, wenn wir unsere Emotion über journalistische Aktivitäten zurücknehmen. Man muss den ORF auf eine andere Basis stellen, eine Reform der Vorstands-Aufsichtsrats-Gremien, wie wir die Finanzierung sichern und außer Streit stellen – all das wollen wir in einer Enquete diskutieren.

Was halten Sie vom Anhörungsrecht der Landeshauptleute, das bei der Auswahl der ORF-Landesdirektoren de facto ein Wunschkonzert ist?

Vom Anhörungsrecht halte ich viel, vom Wunschkonzert nichts. Das ist aber auch eine Frage der ORF-Geschäftsführung, weil es dem Generaldirektor unbenommen ist, sich bei der Besetzung gegen den Wunsch des Landeshauptmanns zu entscheiden. So eine Vorgehensweise hätte wohl auch generalpräventive Wirkung.

 

Die Eröffnungsrede von Kulturminister Thomas Drozda anlässlich der Eröffnung der Ars Electronica 2017 (PDF):

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