Taylor Swift zelebriert das Drama und schenkt ihren abgelegten Gspusis ein

Von Lukas Luger   14.November 2017

"I Swear, I Don’t Love The Drama – It Loves Me!" Ein besseres Credo als diese Textzeile aus "End Game" hätte Taylor Swift für ihr sechstes Album "Reputation" kaum finden können. Denn auch wenn die blonde 27-Jährige noch so treuherzig das Gegenteil schwört, der US-Popstar liebt sehr wohl die große Geste, das Dramatische und das emotional Offenherzige. Und sie weiß auch perfekt, diesen Charakterzug in eingängige Popsongs zu übersetzen.

Herzen zu brechen, das eigene gebrochen zu bekommen, Liebe für die Lebensmenschen, Hass für die falschen Freunde – aus diesem turbulenten Gefühls-Konglomerat speisen sich die 15 neuen Songs auf "Reputation", der exzellenten Nachfolge-Platte des weltweit mehr als zehn Millionen Mal verkauften "1989" aus dem Jahr 2014. Den uralten Musikerschmäh, dass ein Dutzend gescheiterte Beziehungen wenigstens ein neues Album ergibt, hat Frau Swift verinnerlicht.

Egal ob Harry Styles, Calvin Harris oder Tom Hiddleston – Taylors abgelegte Gspusis bekommen allesamt ordentlich ihr Fett ab. Am deutlichsten geschieht dies in "Getaway Car", einem melodieseligen, sich umgehend in den Gehörgängen festsetzenden Popsong, in dem Swift das im unbarmherzigen Scheinwerferlicht der Boulevardpresse ausgetragene Liebesdreieck zwischen ihr und den Mannsbildern Harris und Hiddleston thematisiert. "Ein Zirkus ist keine Liebesgeschichte", singt eine wütende Swift.

Narzissten und Playboys

Songs zu schreiben ist für den einst als Country-Starlet gestarteten Superstar eine psychohygienische Mischung aus Tagebucheinträgen und öffentlichen Therapiestunden. Denn auch der elektronische Dancefloor-Kracher "Dancing With Our Hands Tied", das Auftaktstück "... Ready For It?" oder die bissige R&B-Nummer "I Did Something Bad", in dem all die Narzissten und Playboys in ihrem Leben bloß gestellt werden, machen in ihrer Offenheit keine Gefangenen. Das mit Ed Sheeran und Rapper Future eingespielte "End Game" ist ebenso exzellent wie der sinnliche Schleicher "Dress" und die reduzierte Akustikballade "New Years Day", der gelungene Schlusspunkt von "Reputation".

Reinhören: "Ready for it"

An welchen Verflossenen welche Swift-Scheibe jetzt konkret adressiert ist, entnimmt der geneigte Fan am besten dem Zeitschriftenstapel beim Haarschneider des Vertrauens. Für all jene Hörer, die das Swiftsche Liebeschaos peripher tangiert, denen sei gesagt: Auch ohne irgendwelche Klatsch-Infos überzeugt "Reputation" als moderne, handwerklich tadellose, bombastisch produzierte und doch intime Pop-Platte. Eine Platte, die eindeutig im Mainstream verortet, dabei überraschend eigenständig ist. Dem Drama sei Dank!

CD-Kritik: Taylor Swift "Reputation" (Universal)

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