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Sechs Sterne für Cuaróns Film "Roma"

Von Nora Bruckmüller, 13. Dezember 2018, 00:04 Uhr

Visuell und emotional bestechend: Ab 14. Dezember zeigt Netflix das für drei Golden Globes nominierte Werk "Roma" von Oscarpreisträger Alfons Cuarón. Die OÖN haben den Film, der als Oscar-Kandidat gilt, bereits gesehen.

"Ich bin schwanger“, sagt Cleo (Yalitza Aparicio).

„Das ist doch etwas Gutes“, antwortet Fermín (Jorge Antonio Guerrero). Er küsst sie.

Regisseur und Oscar-Preisträger Alfonso Cuarón („Gravity“) hat das Paar in seinem für drei Golden Globes nominierten Film „Roma“ für diese Szene ins Kino gesetzt.

Vor ihnen flackert ein Kriegsfilm auf der Leinwand in diesem Lichtspielhaus in Mexiko City Anfang der 1970er-Jahre. Cuarón, der das Drehbuch sowie Kamera, Schnitt und Produktion seines seit 2006 geplanten Werks verantwortet hat, hat Fermín  einen weiteren Satz in den Mund gelegt: „Ich muss auf die Toilette.“

Er geht. Man spürt sofort: Er kommt nicht wieder zurück. Das vermeintliche Glück von Cleo, Hausmädchen einer Familie der gehobenen Mittelklasse, zerbricht aber nicht mit einem Schlag. Leid,  Demütigung, Depression halten langsam Einzug.

Schwarzweiß, trotzdem bunt  leuchtend

Cuarón hat dafür eine Bildsprache von visueller Brillanz gefunden. Beschrieben wird seine Arbeit gerne als Schwarzweißfilm, doch das wird ihm gar nicht gerecht. Jedes Bild ist ein aus Grautönen gewobener Spiegel eines Alltags, den Cuarón bestens kennt – „Roma“ ist eine Hommage an seine Kindheit in Mexiko und sein ehemaliges Kindermädchen.

Er ehrt die sie farbenprächtige, durchaus als laut geltende Volkskultur seiner Heimat Einstellung für Einstellung – ohne ihr durch seine Farbwahl einen Dämpfer zu versetzten. Man spürt die Sonne über den Feldern des Ferienwohnsitzes von Cleos Familie noch stärker, man erkennt die Buntheit der Straßen, in den Luftballons vor dem Kino, vor dem Cleo auf den Vater ihres Kindes auf den Stiegen wartet. Vergeblich.

Von Hoffnung und inhaltlicher Schwere

Ihr Schicksal verleiht dem Film, der Kader für Kader wunderschöne, detailreiche Gemälde von Hinterhöfen, Zimmern und Bauten liefert sowie Esstische und Interieur wie Stillleben einfängt, die notwendige schwere Note, eine tiefe Traurigkeit.

Doch er ist nicht hoffnungslos, weil in „Roma“ – benannt nach der Nachbarschaft Mexiko Citys, in der spielt – zwei Frauen, die aus unterschiedlichen Klassen stammen und von unterschiedlichem Temperament sind, auf menschlicher Ebene gleich, aber nicht klein macht. Ohne ihnen Rückzug und Ausbrüche, Tränen und Alkohol, stilles Leiden oder Wutschreie zu verwehren.

Cleos Chefin, Seniora Sofía (Marina de Tavira), geht es mit ihrem Mann, einem Arzt, wie ihrer Angestellten. Ihr Mann belügt sie, betrügt sie und verlässt sie und die zwei Töchter und zwei Buben. Cleo liebt die Kinder still, und ganz zärtlich, Sofia verteidigt und motiviert sie wie eine Löwin.

Sehen mit Cuaróns Augen

Während die zwei Schauspielerinnen vortrefflich sichtbar werden lassen, wie Cleo und Sofia nebenbei und doch nie unmerklich aushandeln, wer welche Rolle im Haus übernimmt, lernt der Zuseher, die Welt mit Cuaróns Augen zu sehen.

Einerseits wie ein Regisseur, der scharf im Verstand und mild im Herzen eine universelle Schönheit in „seiner“ früheren Welt entdeckt, auch in ihren hässlichen Seiten und Winkel.

Andererseits wie ein Mexikaner, der die Kultur seiner Heimat feiert, und wie ein Mann, der Kraft, Beständigkeit und Anmut von Müttern, besser gesagt Frauen, wertschätzt.

Beinahe radikal gemächlich

Schnell geht das nicht. Im Vergleich zur allgegenwärtigen Hast ist „Roma“ in seiner Gemächlichkeit schon beinahe radikal. Genauso ist die Stille eine mächtige Geste dieses Films – eine des Respekts gegenüber Form, Inhalt und den oft auch vergessenen Zuschauern.

Dank eines Schnitts von immensen Gespür fließen die Geschehnisse dahin, so wie sie an den richtigen Stellen etwas schneller vorbeiziehen, an anderen wiederum vor sich hin zu bröckeln scheinen.

Großaufnahmen von Gesichtern, die schön, weil ehrlich normal aussehen und jenseits aller glattgebügelten Instagram-Gleichförmigkeit sehen, gehen in lange Kamerafahrten durch die Immobilien von Cleos Familie über, an denen Regisseure Martin Scorsese oder Alfred Hitchcock große Freude hätten.

Wie ein Guckkasten

Aber nicht nur auf diese Weise ehrt der Regisseur sein Metier. Neben filmischen Kraftsymbolen wie Autos, Flugzeugen und Hunden lässt er im Bild ausgeklammerte Charaktere immer präsent sein, man hört sie von der Seite noch sprechen, sieht sie aber nicht. Das verleiht „Roma“ Dreidimensionalität und Fülle auf allen Ebenen.

Als würde man in einen Guckkasten schauen. Eine Verneigung vor den Anfängen, in denen Menschen bewegte Bilder sahen, weil sie in Kammern und Kisten schauten.

Eine, die gelingt wie der Film selbst: mit Grandezza.

OÖN-Wertung: sechs von sechs Sternen
Roma: MEX/USA 2018,135 Min.´

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