Robbie Williams ist zurück – wo sind nur die großen Melodien hin?

Von Lukas Luger   05.November 2016

Vor knapp zwei Jahren veröffentlichte Robbie Williams ein grandioses Lied namens "H.E.S. (Heavy Entertainment Show)", verschämt versteckt auf dem einzig über seine Webseite vertriebenen Raritäten-Sampler "Under The Radar Vol.1". Eine so bitterböse wie melodieselige Abrechnung mit dem Showbiz, dessen einziger Zweck die seichte Bespaßung der Massen im Angesicht des täglichen Grauens in der Welt sei. Robbies neue CD trägt denselben Namen wie der erwähnte Song, stellt aber die komplette Antithese zu diesem dar. Leider.

Denn das elfte Studioalbum des 42-jährigen Briten offeriert exakt, was der frühere Take-That-Wunderwuzzi damals noch so leidenschaftlich anprangerte: Leichte, erschreckend harmlose Unterhaltung, die alles will, nur nicht anecken. Er versuche Songs zu schreiben, die als gemeinsames, als emotional verbindendes Ereignis für Millionen Menschen fungieren, verlautbarte Williams vorab.

Im Gedudel-Modus unterwegs

Um dieses "Melodien für Millionen"-Prinzip umzusetzen, ist allerdings blöderweise eines unabdingbar: erraten, packende Melodien! Und daran mangelt es dem in der Deluxe-Version stattliche 16 Songs starken Werk eklatant. Die überwiegende Zeit verharrt Robbie im gediegenen, weitgehend melodiebefreiten Gedudel-Modus. Lieder wie das haarscharf an der Grenze zum Electric-Light-Orchestra-Plagiat vorbeischrammende "Bruce Lee", die gemeinsam mit Ed Sheeran verfasste R&B-Schnulze "Pretty Woman" oder das vor sich hintröpfelnde "Crazy Hotel" mögen als Hintergrund-Beschallung zum Bügeln oder wahlweise Ausräumen des Geschirrspülers eine gewisse Berechtigung haben. Aufregend, überraschend, ja sexy oder auch nur lässig – also alles, was gute Popmusik verkörpern soll – ist das Gebotene keine Sekunde lang.

Bei aller Beliebigkeit, wirklich störend ist aber keiner der genannten Songs. Dem Lied-Triumvirat "Mixed Signals", "Love My Life" und "Party Like A Russian" haben sie damit zumindest dies voraus. Ersteres wurde von The Killers geschrieben – und klingt auch genau so. Nämlich wie ein unhörbar pathetischer Rocksong, der mit aller Gewalt der Grandezza eines Bruce-Springsteen-Klassikers nachzueifern versucht, aber leider doch nur in einem besonders missglückten Outtake von Bon Jovi endet.

 

 

"Love My Life" wiederum verärgert als läppische Heppi-Peppi-Schlagernummer, die Robbie zu seinen Glanzzeiten nicht einmal als B-Seite zu verbraten gewagt hätte. Gleiches gilt für die unfassbar geschmacklose Single-Auskopplung "Party Like A Russian", die sich als Satire auf den ausschweifenden Lebensstil der russischen Oligarchie versteht, allerdings lediglich beleidigende, kulturelle Klischeebilder aneinanderreiht. Unwürdig.

Verschwendung von Talent

Nur in Spurenelementen schimmern auf "The Heavy Entertainment" noch jene Ingredienzien durch, die Robbie Williams für kurze Zeit zum größten Popstar des Planeten machten. Der Titelsong – nicht zu verwechseln mit dem eingangs zitierten "H.E.S." – verbindet krachende James-Bond-Bläsersätze mit selbstironischen Zeilen, in denen Robbie behauptet, seine Kinder für einen Hit in Belgien zu verscherbeln. Das seinem verstorbenen Manager gewidmete "David’s Song" sowie das Liebeslied "Marry Me" funktionieren als herrliche Tränenzieher, die große Gefühle mit ebensolchen Melodien vereinen. Drei gute Songs machen allerdings noch lange kein gutes Album. Ach, was für eine Verschwendung von Talent!

 

 

CD-Kritik:

Robbie Williams ist zurück – doch wo sind nur die großen Melodien hin?

Robbie Williams "The Heavy Entertainment Show" (Sony Music)

OÖN Bewertung: