"Oida, tu was gegen dein Gewicht!"

Von Peter Grubmüller   22.April 2017

Nach mehr als 3500-Tatort-Minuten in 18 Jahren wird Harald Krassnitzer am Sonntag seinen 40. Fall ("Wehrlos") in der Rolle des Kommissars Moritz Eisner lösen. Im OÖN-Interview spricht der 56-Jährige unter anderem über dieses Jubiläum, das Privatleben der Ermittler und Eisners körperliche Veränderung im Laufe der Jahre.

OÖNachrichten: Haben Sie sich einst für die Rolle des Moritz Eisner beworben?

Harald Krassnitzer: Nein, ich wurde gefragt. Und ich hatte damals zuerst die Gesichter meiner Vorgänger im Kopf – heute frage ich mich, ob es eine besondere Leistung ist, dass ich der am längsten dienende österreichische Tatort-Kommissar bin. Ich tu mir auch mit diesen Jubiläen schwer, weil mein Beruf in der Unmittelbarkeit lebt. Die Situation ist insofern absurd, weil ich gerade einen neuen Tatort drehe und mich diese Arbeit viel mehr beschäftigt als mein 40. Fall, der vor einem Jahr entstanden ist. Statistiken sagen bei Schauspielern höchstens etwas über deren Alter und Erfahrung aus. Ob die Menschen aufs Neue einschalten und zusehen, darauf haben sie keinen Einfluss. Wenn ich zum Fleischhauer gehe und sage, dass ich 40 Tatorte gemacht habe, krieg’ ich nicht einmal ein Extrawurst-Blattl geschenkt. Ich fühl’ mich geehrt, aber auch beschämt.

Durchs Internet geistert das Gerücht, Sie hätten an der HTL in Eisenstadt maturiert, obwohl es nicht stimmt. Wie war Ihr Weg zu Bühne und Film tatsächlich?

Keine Ahnung, wer das auf Wikipedia geschrieben hat. Die HTL für Flugtechnik im Burgenland hätte mich schon interessiert, aber meine schulischen Leistungen haben mir das nicht ermöglicht. Ich habe Speditionskaufmann gelernt, und ein Schulkollege hat mich gefragt, ob ich bei der Theatergruppe seines Bruders in der Stadt Salzburg mitspielen will. Das war, als hätte jemand meinen geheimsten Wunsch erahnt, den ich mich nie getraut hätte auszusprechen.

Beim Jubiläumsfest zum 40. Tatort haben Sie über den dicker werdenden Eisner gewitzelt. Stört Sie Ihre gewachsene Fülle?

Da hab’ ich eine gewisse Selbstironie. Aber es gibt auch Tage, da sag’ ich zu mir: "Oida, tu was gegen dein Gewicht!" Ich nehme immer zu, wenn ich am Set bin und falsch esse. Immer stehen irgendwelche Brötchen herum. Abends komme ich mit dem Adrenalinpegel des Tages samt Heißhunger nach Hause – und was mach’ ich? Ich bestelle beim Pizzaservice. Daran sind nicht die Dreharbeiten schuld, sondern meine Disziplinlosigkeit.

Im Tatort am Sonntag stehen die mörderischen Zustände in einer Polizeischule im Mittelpunkt. Welche Reaktionen erwarten Sie von den realen Polizisten?

In jeder Berufs- oder Gesellschaftsgruppe ist das Böse möglich. Ich bin jetzt 56 und in jeder Gemeinschaft, die ich kennenlernen durfte, gibt es Menschen, die nicht koscher sind. Insofern ist das Gelungene an diesem Film, dass man nicht eine Berufsgruppe basht. Manchmal sind es Politiker, die ohnehin einen schlechten Stand in der Gesellschaft haben, dann sind es Banker, die auch ein schlechtes Image haben, dann sind es Institutionen wie die Polizei, innerhalb der es eben auch welche gibt, die mit ihrer Autorität nicht im Einklang sind und etwas Gutes daraus machen, sondern Scheiße bauen. Dass man diese Gegebenheit mit einer Schicksalsgeschichte verstrickt, die innerhalb dieses Corps stattfindet, fand ich eine tolle Idee.

Aber Eisner hat nicht die Gelegenheit, diese Ergänzungen mitzuliefern. Sind Sie überzeugt davon, dass die Polizisten, die auch ein Imageproblem haben, das genauso wahrnehmen?

Unbedingt, weil es genügend Szenen und Dialoge gibt, die den Stolz innerhalb dieser Institution zeigen. Wir stellen ja auch dar, wie aufrichtig bemüht viele Polizisten sind. Wir alle können uns viel zu wenig vorstellen, wie belastend dieser Beruf sein muss. Polizisten gehen dorthin, wo wir nicht hingehen – sie setzen sich damit auseinander, was uns Angst macht. Diese Leute gewährleisten, dass so etwas wie ein gesellschaftliches Gefüge aufrechterhalten wird.

Die Nebenstränge im österreichischen Tatort verhandeln oft private Befindlichkeiten von Moritz Eisner und Bibi Fellner. Wird in Krimis vor lauter Privatleben der Kommissare nicht mitunter auf den Fall vergessen?

Ich denke, die Qualität unseres Tatorts ist, dass wir in einer schönen Spannungsbreite die Befindlichkeiten dieser beiden Menschen beleuchten – mit all ihren Problemen, aber nie den Fall aus den Augen verlieren. Niemand wird sich am Ende unserer Filme fragen, worum es eigentlich gegangen ist. Dass wir diese Balance schaffen, liegt auch an den Autoren wie Uli Brée und Rupert Henning. Und es liegt daran, dass Eisner und Fellner von Situationen durchaus betroffen sein können, dass sie ein persönliches Empfinden zum jeweiligen Opfer oder Täter haben. Das geschieht mit sehr feinen Mitteln: Es gibt etwa diesmal diese Schlussszene, die eine größere, berührendere Kraft vermittelt als alles, was vorher an Heftigkeit stattgefunden hat.

 

Unser Tatort-Quiz

Wie gut kennen Sie den "Tatort"?

Frage 1 von 12:

1. Wer verkörperte den ersten österreichischen „Tatort“-Kommissar?


 

„Wehrlos“ - Das erwartet Sie am Sonntag um 20.15 Uhr

Die Leiche des Chefs der Polizeischule wird gefunden. Alles sieht nach Selbstmord mit der eigenen Dienstwaffe aus, zumal im oberen Stockwerk des Hauses seine tote Frau gefunden wird, die er offenbar erschlagen hat. Nach der Obduktion ist alles anders: Das Projektil in seiner Brust stammt nicht aus der eigenen Dienstwaffe, sehr wohl aber handelt es sich um Spezialmunition, die nur der Polizei zur Verfügung steht. Der Täter ist somit in den eigenen Reihen zu suchen. Bei den Recherchen in der Polizeischule stoßen Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) auf haarsträubende Verhältnisse