Mit solchen Frauen hat "Anatol" nicht gerechnet

Von Peter Grubmüller   04.Dezember 2017

Liebe ist für "Anatol" nicht der Zustand schrankenloser Hinwendung, sondern Arthur Schnitzlers (1862–1931) melancholischer Verführer fädelt seine Anbahnungen mit der Unverbindlichkeit der Lust ein. Verbindlich wird er sie bloß wieder los. Und weil man weiß, dass Schnitzler seine treffenden gesellschaftlichen Analysen mit dem Messer der eigenen Aufrichtigkeit schnitzte, hätte man ihn zu gerne in einer Debatte mit Susanne Lietzow erlebt. Ihre Inszenierung von Schnitzlers 1888 bis 1892 entstandenem Einakterzyklus, die am Freitag in den Linzer Kammerspielen Premiere hatte, degradiert die Frauen keineswegs zu flüchtigen Vergnügungen, die sich bloß an- und ausziehen, wie es dem eitlen Müßiggänger gefällt.

Alte, mächtige Machos

So hat es Schnitzler auch nicht gemeint, sondern er spiegelte die Dauerschleife von Anatols Affären in Gesprächen mit dem loyalen Max, um für das Publikum die verheerende gesellschaftliche Stellung der Frauen aufzufächern. Der Inhalt ist mehr als heutig, denkt man nur an die nicht auszurottenden Übergriffe alter, mächtiger Machos.

Nein, die Frauen treiben Anatol deshalb noch nicht vor sich her, aber sie sind weit resoluter als das "süße Mädel", von dem der Kerl träumt, um es dann doch abzuservieren. Die wunderbar vielfältige Martina Spitzer gibt all diesen Bertas, Gabrieles, Coras, Emilies, Annies, Illonas, Biancas und Fritzis eine jeweils aufrichtige Gestalt – von subtil leidend bis entfesselt komisch, aber immer schlagfertig. Alle Frauen mit einer einzigen zu besetzen, ist Lietzows gelungener Kunstgriff. Genauso wie das Angebot an Christian Taubenheim, aus Max eine Figur zwischen Männersolidarität und Frauenbeschützer zu gestalten. Im ersten Einakter "Anatols Größenwahn" wird Max als schwuler Gefährte eingeführt, und sogar diese Zuschreibung begründet Taubenheim mit seiner Schauspielkunst.

Es liegt an der Qualität dieser beiden, dass der aus etlichen TV-Krimis bekannte Andreas Patton in der Titelrolle zu strampeln hat, um nicht ins Eindimensionale zu kippen. Ihm bleibt oft nur die stoische Überheblichkeit, mit der er sich in die Vorstadt schleppt, weil er in der vermeintlichen Bildungsferne so gerne neuen Opfern auflauert.

Gilbert Handlers Arien-Paraphrasen vertonen die Szenen in allen Stimmlagen. Auf der von Marie-Luise Lichtenthal mit transparenten Zwischenwänden optimal genutzten Drehbühne rotieren die Stimmungen. Mitunter werden die Grenzen der Skurrilität überrannt, während manche eindringliche Dialoge nur so tun, als wären sie eindringlich. Dann doch lieber laut und schrill, darin ist dieser Anatol am besten.

"Anatol", Einakterzyklus von Arthur Schnitzler, Regie: Susanne Lietzow, Premiere: 1. Dezember, Linzer Kammerspiele, Termine: 4., 6., 15., 25., 30. Dezember; 7., 11., 12. Jänner; 1., 13., 23. Februar 2018.

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