"Mit dem Sterben soll endlich Ruhe sein"

Man kennt ihr Gesicht, man kennt ihre Stimme, man kennt ihre TV-Serien ("Tatort", "Vier Frauen und ein Todesfall") und man mag ihre positive Ausstrahlung – aller Unbill des Privatlebens (Depression) und zahlreichen Schicksalsschlägen zum Trotz (2016 starben ihre Mutter und ihr Bruder, 2015 ihr Vater). Im Schauspiel, in der Liebe zu ihrem Sohn Julian und im Humor findet die 57-Jährige Halt. Am 7. Jänner verbindet Adele Neuhauser diese drei Haltgeber bei einer Lesung mit Musik in den Linzer Kammerspielen.
 

Frau Neuhauser, Ihre Fans lieben Sie als ausdrucksstarke Schauspielerin, als Frau mit einer Geschichte. Eine solche sind Sie auch im richtigen Leben – mit zwei schweren Prüfungen im Jahr 2016. Wie können Sie ins neue Jahr gehen?

Neuhauser: Abschließen kann ich 2016 natürlich nicht so einfach. Ich kann es nur mit einer seltsam-freudigen Trauer beenden, indem ich an diese lieben Menschen denke, die ich verloren habe. Ich bin in all dem Schmerz, den ich erfahren habe, auch beschenkt worden. Die Familie meines Bruders ist mir noch ein Stück näher gerückt. Ich glaube, dass 2016 für sehr viele Menschen ein trauriges Jahr war. Angesichts der Tatsache, dass in dieser Welt vieles verrückt spielt, kann ich nur hoffen, dass eine Besinnung einsetzt.

Wenn man Ihre Vita liest, kommt man an tiefen Einschnitten wie Ihrer Depression, Ihren Selbstmordversuchen nicht vorbei. Trotzdem strahlen Sie eine besondere Lebenslust aus. Woher nehmen Sie Ihre Kraft?

Weil ich meiner Begabung gefolgt und Schauspielerin geworden bin, habe ich durch meinen Beruf auch sehr viel Zuspruch und Liebe von den Menschen erfahren. Durch die vielen seltsamen Figuren, die ich spielen durfte, konnte ich auch viele eigenartige Stimmungen in mir loswerden. Sicher ist es auch der Humor – und grundsätzlich die Liebe zum Leben. Ich versuche durch die Verluste, die ich erlitten habe, das Leben noch einmal anders zu nehmen. Nicht, dass ich jetzt jeden Tag zum Event machen möchte. Ich habe ja auch meinen Sohn, der ein unglaublich begabter und wunderbarer Mensch ist.

Mit ihm stehen Sie am 7. Jänner in Linz auf der Bühne.

Ja, er ist Gitarrist der Band Edi Nulz. Sie machen großartige Musik, sehr frei, ohne dass sie einen nerven mit ihrer Freiheit. Sie nehmen das Publikum in ihrer Begeisterung mit. Julian hatte die Idee, gemeinsam mit mir mit Texten von Douglas Adams aufzutreten. Ich hatte die Idee schon länger mit mir herumgetragen und nur darauf gewartet, dass er mich fragt.

Man will sich ja bei den eigenen Kindern nicht aufdrängen...

Nein... Aber, es hat sich halt angeboten. Es ist ja eine hochprofessionelle Sache, die allerdings immer wieder von Freudenstürmen meinerseits unterbrochen wird, wenn er nach meinen Texten zu spielen beginnt. Für mich ist das ein absolutes Seelenprogramm, für die Zuseher ein sehr unterhaltsames, kurzweiliges Programm.

Weil Sie vorhin gesagt haben, dass Sie der Typ für seltsame Figuren sind: So eine Figur kann man ja nicht aufgesetzt spielen, sonst verpufft sie. Bei Ihnen wird die seltsame Figur zu etwas Liebenswertem. Was macht Sie zum authentischen Typen dafür?

Es ist schön, dass Sie das sagen. Ich finde, dass jeder auch negative Züge in seinen liebenswerten Seiten hat. Wenn man die nicht zeigt, dann sieht man das Monströse nicht und wird unglaubwürdig. Es war mir immer ein Anspruch, die Leute mitzunehmen.

Ist die Bibi Fellner (Tatort-Kommissarin, Anm.) die Königsrolle unter all den seltsamen Figuren, die Sie schon gespielt haben?

Sie ist mir sehr ans Herz gewachsen, sie ist für mich eine fast realistische Frauenfigur. Ich mag sie sehr gerne, weil sie jemand ist, die in ihre Jahre gekommen ist, die mit Wunden versehen ist. Das macht sie liebenswert, reich und wahrhaftig. Sie ist eine Frau, die man gern haben kann, weil sie kämpferisch ist und vieles nicht zulässt, aber auch, weil sie Fehler hat und mit vielen Dingen nicht zurechtkommt.

Wie viel Adele Neuhauser steckt in Bibi Fellner?

Sie sieht mir ähnlich... Es steckt viel von meiner Energie und meinem Humor drin. Sie ist ein gutes Ventil und ein guter Motor in meinem Leben.

Was wünschen Sie sich 2017?

Dass jetzt endlich mit dem Sterben eine Ruhe ist.

Adele Neuhauser & Lesung „Die Letzten Ihrer Art“

Adele Neuhauser wurde 1959 in Athen geboren, sie lebt seit ihrem vierten Lebensjahr in Wien. Mit sechs Jahren beschloss sie, Schauspielerin zu werden. Adele Neuhausers Jugend war von Depressionen und mehreren Suizid-Versuchen geprägt.

Neben zahlreichen Rollen in TV-Filmen wurde Neuhauser als Kommissarin „Bibi Fellner“ im ORF-Tatort (seit 2011) und mit der Serie „Vier Frauen und ein Todesfall“ (seit 2005) bekannt. Ihr Sohn Julian lebt als Gitarrist und Komponist in Berlin.

„Die Letzten ihrer Art“ - In dieser heiter-besinnlichen musikalischen Lesung über bedrohte Tierarten des britischen Kult-autors Douglas Adams ist Adele Neuhauser am 7. Jänner, 19.30 Uhr, in den Linzer Kammerspielen zu sehen. Begleitet wird sie von dem Kammer-Punk-Jazz-Rock-Trio Edi Nulz.