Nach "Amore" und "Bussi" legt das Wiener Beisl-Rock’n’Roll-Quintett Wanda am Freitag mit "Niente" sein drittes Album vor. Frontmann Marco Wanda spricht im OÖN-Interview über in die Seele geschlagene Pflöcke, Lokalverbote und die eher gespalten aufgenommene erste Single-Auskopplung "0043".
OÖN: Kurz vor Veröffentlichung von "Niente", wie hoch ist Ihr persönlicher Stresslevel? Welche Frage zum neuen Album können Sie jetzt schon nicht mehr hören?
Marco Wanda: Körperlich ist es anstrengend, seelisch nicht. Ich verneige mich in Demut, so viel Wirbel hatten wir noch nie rund um ein Wanda-Album. Deppate Fragen gibt’s aber vor allem in Deutschland (lacht). So in der Art (verfällt in einen bemerkenswert echten deutschen Akzent): "Ihr seid doch voll so Italien-Fans, nee?" Und ich immer so: "Es gibt genau eine Italien-Nummer, also geh bitte!"
Melancholie genießt in der Kunst ja keinen besonders guten Ruf. Wanda erlauben sich auf "Niente" aber den Mut zur Schwermut. Wie kommt’s?
Es ist ein schmaler Grat, Melancholie in die eigene Arbeit einweben zu wollen. Ich glaube aber, ich kann’s. Ja, das kann voll in die Hose gehen. Textlich pendelt "Niente" zwischen Kindheit und Tod. Da ist mir eine Art Lebensschau passiert. Witzig, das hat alles Schamanen-Charakter. Man würfelt das vorhandene Songmaterial durcheinander, und ab diesem Zeitpunkt hat man keine Kontrolle mehr über das Endergebnis. Wir gehen ja nicht ins Studio, um explizit ein Album aufzunehmen. Das hat doch so etwas Überkandideltes. Die zwölf Lieder haben sich wie von selbst zu einem Ganzen zusammengefunden.
Viele der neuen Songs zitieren ältere Wanda-Stücke, es tauchen immer wieder bereits bekannte Textfetzen auf. Versuchen Sie, Ihren eigenen Wanda-Sprachkosmos zu kreieren?
Mein Seelenleben ist ein Schleuderkarussell. Dieser textliche Kosmos, den ich geschaffen habe, ist meine Chance, mich einmal nur an einem geistigen Ort aufzuhalten – und nicht an zehn Orten gleichzeitig, wie ich es sonst tue. Die Reize für diesen Kosmos kommen nicht von außen, sondern direkt aus meinem Innersten. Ich schlage einen Pflock tief in meine Seele. Ich versuche, ins Unbewusste vorzudringen. Und scheitere daran oft köstlich.
Hegen Sie ein ausgeprägtes Faible fürs Esoterische?
(lacht) Nein, gar nicht.
Die Single "0043" hat mit der verzerrten Computerstimme bei vielen Fans Schnappatmung ausgelöst. Bewusste Provokation?
Wenn das jemanden vergrault, ist er kein Fan. Dann hat er’s ohnehin nie gecheckt. Ich bin ja kein Zirkusaffe. Musik ist ein Angebot. Wir haben quasi eine Bar aufgesperrt, Gäste kommen und gehen.
Es gibt auch Lokalverbote...
Lokalverbot kriegen nur Oarschlöcher! Solche gibt es aber zum Glück nicht unter unseren Fans.
Im Frühjahr steht eine lange Tournee an. Wie schafft man es als Band, monatelang unterwegs zu sein, ohne sich zu hassen?
Freundschaft und Dialog sind die Schlüssel. Auf Tournee zu sein ist einfach, das Heimkommen ist schwer. Plötzlich steht da kein Whiskey Sour, serviert von einem Diener mit weißem Handschuh, es gibt kein Pay-TV mit Pornos im Fünf-Sterne-Hotel. Auch die lachenden Gesichter im Publikum fehlen. Auf Tour mag ich mich nicht aufhängen, das passiert eher zu Hause.
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Video: Nach "Amore" und "Bussi" melden sich die Musiker jetzt mit ihrem dritten Album.
"Weiter, weiter" heißt die Auftaktnummer des dritten Wanda-Albums "Niente". Stehen bleiben ist in der Tat keine Option für das Wiener Quintett, das mit seinem zitatgespickten, herrlich grindigen Beisl-Rock’n’Roll einen Nerv beim mainstreampopverseuchten Publikum getroffen hat. Auf "Niente" vermeiden Wanda den Kardinalfehler ihrer zweiten Platte "Bussi". Diese kam knallig-forsch daher, variierte die Erfolgsformel des phänomenalen Debüts "Amore" aber lediglich marginal und wurde dergestalt als Quasi-Selbstplagiat relativ schnell langweilig. "Niente" ist mutiger, abwechslungsreicher, und – auch wenn nicht jeder Song ("0043", "Lieb sein") zündet – um ein Hauseck interessanter.
Die Schwermut hat sich auf "Niente" eingeschlichen, das Gockelhafte tritt in den Hintergrund. "Columbo" ist ein herrlicher Schmachtfetzen, auch "Schottenring", "Einfacher Bua" durchweht die Melancholie. Das lässige "Lascia mi fare", "Cafe Kreisky" und "Ich sterbe" sind hingegen jene Art von zwischen Euphorie und Depression pendelnden Wanda-Hymnen, zu denen sich bei Konzerten Wildfremde in die Arme fallen. Fein.
OÖN Bewertung:
Reinhören: "Columbo" von Wanda