Lasst uns über das Elend einer 16-Jährigen plaudern

Von Peter Grubmüller   12.Februar 2018

Die 16-jährige Duck rackert sich ab, um so etwas wie Normalität herzustellen. Ihre Mutter verunglückte auf einem Motorrad des Typs Ducati Monster, als das Mädchen drei war. Ihr Rocker-Vater hatte sich um die Restaurierung der Maschine gekümmert, bis er an Multipler Sklerose erkrankte. Seitdem steht das Ding wie eine Erinnerung an schönere Zeiten im begehbaren Schrank. Der ehemalige Hells-Angels-Biker ist erblindet und kifft noch mehr als früher, damit die Hände ruhig bleiben. Vater und Tochter waten durch Essensreste, Bier- und Urin-Lacken. Über den beiden zieht eine "Fee der Katastrophe" die Strippen. Es liegt an Duck, dass nicht alles vergammelt.

Den Alltag pflegender Kinder, von denen es in Österreich laut Programmheft mehr als 40.000 gibt, nimmt der schottische Dramatiker David Greig als Ausgangspunkt für "Monster". In den Linzer Kammerspielen wälzte sich am Samstag das 2014 mit dem Deutschen Jugendtheaterpreis ausgezeichnete Stück (für alle ab 13) gut 90 Minuten als österreichische Erstaufführung dahin. In der Regie von "Junges Theater"-Chefin Nele Neitzke köchelte der Text in harmlosem Witz, mit dem Nachgeschmack einer untertourigen "Tür auf, Tür zu"-Komödie.

Das Böse ist ein Schmetterling

Wie soll auch etwas Dichtes entstehen, wenn die Darsteller nicht miteinander spielen? Jedes Wort wirkt, als wäre es für das Publikum gesprochen. Dass der quälende Morast insgesamt nur beplaudert wird, aber in dieser Einbaumöbel-Garconniere (Bühne: Anika Wieners) nie Gefährlichkeit erfährt, ist die nächste Schwäche des Abends. Die über dem Wohnzimmer thronende Katastrophen-Fee (Joachim Werner) musiziert mit der Diabolik eines Klatschmohnwiese-Schmetterlings (Kostüme: Veronica Silva-Klug). Und wenn die erzählende Band "The Fabulous Duckettes" den Abend zur Nummernrevue zerhackt, dann wusste die Regie mit diesem Mittel nichts anzufangen. Ganz im Unterschied zu der final versöhnenden Motorrad-Verfolgungsjagd.

Der Besuch der Sozialarbeiterin Mrs. Underhill, die sich von Ducks Lebensumständen ein Bild machen will, wird zur Verwechslungsposse. Karina Pele bemüht sich, dieser Mrs. Underhill wie der freakigen Norwegerin Agnetha, mit der Ducks Vater bei Avatar-Internetspielen techtelt, Kontur zu verpassen.

Christopher Schulzer stellt einen willenlosen, verwahrlosten Vater auf die Bühne, dem der Rocker längst entwichen ist. Steven Cloos will als Schul-Dandy Lawrence gar nicht mit Duck schmusen, obwohl er das laut Buchvorlage soll, um sein Schwulen-Image loszuwerden. Anna Katharina Fleck bleibt standhaft. Ihre Duck ist ein ernsthafter Anker, der nie im Seichten grundelt.

Das "Junge Theater", das Kindern und Jugendlichen die Wunder des Schauspiels vermitteln will, ist fatalerweise die einzige Landestheater-Sparte, die sich in eineinhalb Jahren der neuen Intendanz banalisiert hat.

Junges Theater: "Monster" von David Greig, österr. Erstaufführung, Regie: Nele Neitzke, Linzer Kammerspiele, für alle ab 13, Premiere: 10. Februar, Termine: 14., 15., 16., 28. Februar; 9., 11., 16., 22., 23. März; 5., 24., 25. April; 25. Mai; 15. Juni. Karten, Tel: 0800 218 000, www.landestheater-linz.at

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