Kulturszene: „Wir atmen die gleiche Luft und sprechen die gleiche Sprache“

Von Von Michael Wruss   31.Dezember 2010

Bereits die gestrige Voraufführung des Neujahrskonzertes war ein voller Erfolg: Standing Ovations und ein zutiefst berührtes Publikum im übervollen goldenen Musikvereinssaal in Wien. Franz Welser-Möst war im OÖN-Gespräch kurz vor dem Konzert von der Probenatmosphäre überaus angetan.

„Wir atmen die gleiche Luft“ – so bezeichnete ein führendes Mitglied der Wiener Philharmoniker das Dreamteam. Steht doch mit Welser-Möst wieder ein Österreicher am Pult des wohl wichtigsten Kulturexports unseres Landes: „Nach 25 Jahren mühevoller Versuche, Orchestern in der ganzen Welt die Musik der Strauss-Dynastie nahezubringen, ist die Arbeit hier in Wien pures Vergnügen. Jeder weiß, was zu tun ist, wie es klingen soll. Wir schweben tatsächlich auf der gleichen Wellenlänge.“

Das, was so leicht, unbekümmert, ja ganz simpel klingen soll, um in erster Linie den Rhythmus für den Tanz vorzugeben, ist in Wirklichkeit unglaublich schwierig und für Nichteingeweihte kaum nachzuvollziehen.

Das macht auch den Unterschied zwischen einem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker und dem Spiel so manch selbst gekrönter Walzerkönige aus. Das eine ist nicht nur technisch perfektionierte Leidenschaft, sondern auch emotional gefühltes Wissen um die Musik. Das andere lediglich medientauglich inszenierte trügerische Glückseligkeit mit ungelenkem Gefiedle.

„Bin nicht der Kasperl“

Wie Franz Welser-Möst den Medienrummel erlebt? „Da muss man einfach durch! Aber man muss auch nicht überall mitspielen. Ich bin nicht der Kasperl am Dirigentenpult, sondern wir versuchen, hier erstklassige Musik herausragend zu musizieren, und haben damit vollauf genug zu tun. In einer der Proben ist mir ein wenig der Kragen geplatzt, und ich habe alle daran erinnert, dass die Musik das Wichtigste an diesem Neujahrstag sein sollte. Keine Frage, jeder möchte seine Arbeit so gut wie möglich machen, ob Kameraleute, Ton-Ingenieure, Regisseure. Doch das schwierige und lange Programm ließ dann bei manchen plötzlich die Nerven blank liegen. Aber wie gesagt: Das gehört dazu.“

Natürlich hat die Voraufführung noch nicht den Charme des eigentlichen Neujahrskonzerts. Der Saal ist noch nicht geschmückt – außer den paar Efeuranken, die die Kameras verbergen, und den vielen Scheinwerfern scheint es ein ganz normales Konzert zu sein, aber mit einem ganz besonderen Programm. Neujahrskonzert-Debütant Franz Welser-Möst setzte ganz bewusst Stücke des jungen Johann Strauss aufs Programm, so z.B. die „Debut-Quadrille“ op. 2, die im ersten Konzert der Strauss-Kapelle am 15. Oktober 1844 erklungen ist. Neben biographischen Bezügen steht auch Franz Liszt, dessen 200. Geburtstag 2011 gefeiert wird, im Zentrum.

Der dritte Schwerpunkt beinhaltet Spanisches: Einerseits wegen Spaniens EU-Vorsitz 2010, andererseits wegen Josef Hellmesbergers „Zigeunertanz“, der noch nie auf dem Programm des Neujahrskonzertes stand. „Und irgendwie berührt mich das Spanische auch, bin ich doch seit kurzem Berater des spanischen Königs und in dieser ehrenvollen Funktion Nachfolger von Kardinal Franz König.“

Welchen der „Sträusse“ Welser-Möst am meisten schätze? „Eigentlich alle, denn von jedem gibt es geniale Stücke, wovon man sich im Konzert überzeugen kann.“

Tipp fürs Publikum? „Genießen – so wie es die Philharmoniker tun, wenn einer vorne steht, der die gleiche Sprache spricht.“