Kulturhof Perg: Die humorvollste Art, das Flüchtlingsthema zu diskutieren
Oberösterreichs Bühnenkunst-Preisträger bringen die Komödie "Willkommen" von Lutz Hübner und Sarah Nemitz am 19. Juli zur österreichischen Erstaufführung
Es ist eine rhetorisch geschliffene Wohngemeinschaft von Mittelschicht-Singles, die Benny, Sophie, Doro, Jonas und Anna da gegründet haben. Die schicke Bude erstreckt sich über 200 Quadratmeter plus Dachterrasse – und Benny, der einen einjährigen Lehrauftrag in New York ergattert hat, schlägt etwas Folgenschweres vor: Für die Zeit seines Aufenthalts in den USA "würde ich gerne mein Zimmer an Flüchtlinge vergeben. Natürlich nur, wenn ihr alle einverstanden seid."
Der Kulturhof Perg, der gerade mit dem Oberösterreichischen Bühnenkunstpreis ausgezeichnet wurde, probt in diesen Tagen dieses Stück "Willkommen" von Lutz Hübner und Sarah Nemitz (2017 in Düsseldorf uraufgeführt), das sich als Stresstest für Toleranz entrollt. Am 19. Juli steigt die österreichische Erstaufführung. Jeder des Quintetts hat so nachvollziehbare wie unpopuläre Einwände gegen die Aufnahme von Flüchtlingen – außer Benny, aber der haut ja ab. Nein, es ist kein gedankenverhangenes Politdrama, sondern zwischen den moralischen Ansprüchen der WG-Bewohner an sich selbst und deren pragmatischem Egoismus bleibt viel Raum für gut gedrechselten Witz.
Julia Ribbeck sitzt an der Seite, als Katharina Bigus (Doro), Nadine Breitfuß (Anna), Barbara Novotny (Sophie), Thomas Bammer (Benny) und Martin Dreiling (Jonas) hinter dem idyllischen Hof des Perger Schlosses Auhof den Text auf Bierbänken noch einmal durchgehen. Sie klopfen die Pausen auf atmosphärische Korrektheit ab, sie überprüfen die Reaktionen ihrer Figuren auf Plausibilität.
Ribbecks Regie-Debüt
Es ist Ribbecks erste Regiearbeit, was der ehemaligen Säule des Landestheaters in keiner Sekunde anzumerken ist. Sie tariert klare Anweisungen und Lob exakt aus. Was sie sagt, das wird gemacht.
In der alten Scheune, wo der Kulturhof Perg seit 2015 ein Sommertheater von überregionaler Strahlkraft auf die erneuerten Bretter stellt, ist eine schicke Küche gebaut. So richten sich liberale Menschen mit Faible für Design ein.
"Lieber einige Lacher weniger, aber klar muss es sein", sagt Ribbeck und lässt jene Szene, in der Novotny Tiramisu serviert, acht Mal wiederholen. Thomas Bammer muss neun Mal die Sektflöten für den "Notfall-Schampus" her- und wegräumen, weil Textdauer und Einschenk-Zeit nicht sitzen.
"Prima, wenn der Druck der anderen gleich da ist und die Bedenken in die Szene reinschießen", ruft die im Zuschauerraum gestikulierende Ribbeck. Und wie auf Befehl prasseln die Einwände der Mitbewohner aufeinander. "Wir müssen den Scheißhaufen unter dem Teppich freilegen", feuert sie an. "Die wollen ja keine Dackelwelpen kaufen, sondern Flüchtlinge aufnehmen!", sagt sie und schreit schon fast. Zum Protest werde man gezwungen, "nicht gestreichelt!" Es scheint, als sei "Willkommen" bei ihr und in Perg in guten Händen. Ab 19. Juli gilt es.
Kulturhof Perg
Österreichische Erstaufführung: „Willkommen“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz, Regie: Julia Ribbeck,
Premiere: 19. Juli;
Termine: 25., 26., 27. Juli; 22., 23., 24., 25., 29., 30., 31. August; 1. September
(jeweils 20 Uhr). Adresse:
Auhof 15, 4320 Perg.
Karten und Infos unter Tel: 0677/ 616 00 890, E-Mail:
kulturhof-perg@gmx.at
www.kulturhof-perg.at
Ein Stück, bei dem Schlechtmenschen so richtig über Gutmenschen lachen können. Wer sich fragt, ob es so etwas wie degenerierte Bobos gibt, sollte sich die Stückautoren genauer ansehen.
Schön, dass wieder alle Kategorien festgeklopft wurden: die Schlechten lachen über die Guten und geschrieben haben degenerierte Bobos. Das hilft sicher beim Dialog!
Das Absolutsetzen von Kategorien ist nicht vernünftig, das Relativieren von Kategorien jedoch führt irgendwohin, daher durchaus auch ins Blaue.
Oder gelegentlich den Standard lesen. Da geht es nicht selten um die Späße der Reichen.
Man kann auch eine lustige Komödie über die österreichische Beteiligung an bzw. Anleitung (Führer) zu NS-Verbrechen schreiben.
Immerhin gab es ja früher Judenwitze, Humor ist was geht.
Heute lacht man über Ersoffene, Gesprengte, Muslime, Mittellose. Und selten über den rechten Mob, der man meist selbst ist.
Vielleicht sollten Sie erstmal Informationen einholen, bevor Sie urteilen. Das Stück beleuchtet ironisch und entlarvend unseren Umgang mit dem Thema und ist keine Komödie auf Kosten von Flüchtlingen. „Mein Kampf“ von George Tabori ist schließlich auch kein Stück über Naziverherrlichung.
Niemand verlässt aus Jux und Tollerei seine Heimat oder soziale Struktur. Diese Aspekte sind so lustig wie jene der eigentlichen Flucht.
Bezeichnend für unsere Mehrheitsgesellschaft, dass sie den Aspekt der Aufnahme dieser Leute (also ihren eigenen Blickwinkel) thematisch überhöht. Vermutlich werden die meisten Leute, die dort lachen, über sich selbst lachen, das aber nicht erfassen. Und das ist nicht zum Lachen.