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Konstantin Wecker: „Die schönsten Einfälle passieren“

Von Von Reinhold Gruber, 24. Juli 2010, 00:04 Uhr
„Die schönsten Einfälle passieren“
Auch nach vier Jahrzehnten Musiker-Dasein erachtet es Konstantin Wecker immer noch als Wunder, dass ihm Menschen in seinen Konzerten zuhören. Bild: Volker Weihbold

„Einer der stärksten Triebe, die ich habe, ist es, mich ausdrücken zu wollen, mich ausdrücken zu müssen.“ Diesen Trieb hat Konstantin Wecker immer gelebt, ausgelebt. Der 63-jährige Liedermacher lebt im Leben, und vieles regt ihn an, manches regt ihn auf.

OÖN: In 40 Jahren haben Sie viele Texte und Lieder geschrieben, die auf ewig Bestand haben werden. Für das Buch „Stürmische Zeiten, mein Schatz“ haben Sie vor einem Jahr die schönsten deutschen Liebesgedichte ausgewählt. Als Leser fügt sich da Wecker perfekt zu den großen Meistern wie Rilke, Jandl oder Kästner. Haben Sie da gespürt, dass Sie in Ihrem Spiel der Worte sehr nahe an den klassischen Literaten sind?

Wecker: Man spürt es. Vermessen bin ich sowieso nicht. Jemand, der wie ich so unglaubliche Vorbilder hat, die er verehrt und liebt, muss schon von jemandem anderen angestupst werden, der eine Ähnlichkeit zwischen meinen Texten und den Meistern erkennt. Wenn man aber Herausgeber eines Gedichtbandes ist, dann ist man schon auch so frei, dass man eigene Gedichte einfügt. Ich füge sie auch in einen schönen Kontext, zwischen Goethe und Rilke. Ich sage auf der Bühne etwas flapsig: Sie stören nicht. Das heißt: Ich habe nicht das Gefühl, wenn ich meine Gedichte unter denen der Meister entdecke, dass sie als besonders schlecht auffallen. Das ist schon einmal sehr viel.

OÖN: Für viele sind Ihre Lieder, Ihre Gedichte zu Lebensbegleitern geworden.

Wecker: Ich weiß, dass es ein paar Zeilen gibt, die einfach deswegen toll sind, weil sie aus der Inspiration passiert sind. Ich habe nie bei Liedern wie bei Gedichten das Gefühl, man hätte es selbst geschrieben. Man hat vielmehr das Gefühl, dass, wenn man an einem Stück feilt, an einem Arrangement herumarbeitet, dass einen dann die Arbeit daran ein Stück weit stolz macht. Die schönsten Einfälle passieren aber. Das ist ein Geschenk.

OÖN: Ein solches Geschenk ist zum Beispiel für mich das Lied „Inwendig warm“, in dem es heißt: „Lass di falln in irgendan Arm und mach de Arm auf, wenn irgendwer fallt“. Merkt man in solchen Momenten des Schreibens, dass das jetzt etwas Besonderes ist?

Wecker: Ich merke, wenn mir ein Text oder ein Lied wirklich gelungen ist. Bei „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“ wusste ich von Anfang an: Das ist ein großartiges Lied. Gerade mit dem Lied musste ich mich durchkämpfen. Damals war die Zeit, da wollten alle den „Willi“ und eine ganz bestimmte politische Aussage zu irgendetwas von mir hören. Wenn ich mit dem Sommer-Lied gekommen bin, haben sie gesagt: Hör auf mit dem Kitsch. Das war mir wurscht. Ich habe genau gespürt, dass das ein tolles Lied ist, und das kriegt ihr jetzt vorgesetzt, ob ihr wollt oder nicht (lacht). Heute gibt die Geschichte dem Lied recht. Gespürt habe ich es auch.

OÖN: Spürt man auch, wenn etwas nicht passt?

Wecker: Allerdings spürt man es, wenn etwas nicht so gelungen ist. Da hilft einem dann andererseits auch der große Beifall nicht. Man hat es ganz genau selbst im Gespür. Wenn man dann das Glück hat, zu erleben, dass etwas akzeptiert wird, dann ist es schön. Ich denke immer an diesen armen Bizet, der mit „Carmen“ die erfolgreichste und wahrscheinlich gelungenste Oper der Weltgeschichte geschrieben hat und gestorben ist, bevor der Erfolg auch nur zu erkennen war.

OÖN: Die Menschen begegnen Ihnen sehr oft mit einer Warmherzigkeit in den Konzerten. Freut einen das besonders?

Wecker: Ja, natürlich. Aber ich war da immer schon sehr bescheiden. Als ich mit meiner ersten Band drei Mal im Circus Krone gespielt habe, wurde das für meine Musiker selbstverständlich. Es kam eine leichte Arroganz daher, und ich habe ihnen gesagt: Ihr seid ja wahnsinnig. Wisst ihr, was euch da passiert? Das ist ein Wunder, das ihr da jeden Tag erleben dürft. Wenn ich ein Konzert spiele und die Leute sind dabei, dann ist das immer ein Wunder. Es ist toll, wenn man das erleben darf. In einer Zeit, in der nur gezappt wird, in der sich die Menschen nur ablenken, sitzen sie plötzlich in einem Konzerthaus und hören drei Stunden lang meinen geistigen Ergüssen und Improvisationen zu! Das ist eine richtige Gnade.

OÖN: Haben Sie diese Gnade selbst auch einmal vergessen?

Wecker: Es gab eine Zeit in meinem Leben, wo ich das verschissen und verschenkt habe. Das war die härteste Zeit in meinem Leben. Es war das letzte Jahr meiner Drogenzeit. Da habe ich mir gedacht, jetzt möchte ich nur auf die Bühne, um nachher wieder Drogen nehmen zu können. Da habe ich schon geahnt, dass daran etwas falsch ist (lacht).

OÖN: Wir leben in stürmischen Zeiten. Die Krise ist aber eine Chance auf Veränderung. Als einer, der stets vor Entwicklungen wie etwa dem Globalisierungswahn gewarnt hat, könnten Sie jetzt eine gewisse Genugtuung verspüren, es gewusst zu haben. Verspüren Sie Genugtuung?

Wecker: 1950 haben Theodor Adorno und Max Horkheimer alles vorausgesagt, was jetzt passiert. Es ist ja nicht so, dass es niemand gewusst hätte. Von den 1970er bis in die 1980er Jahre hat man es den Menschen auch noch vermitteln können. Und dann hat eine neoliberale Propaganda eingesetzt, die – man muss fast den Hut ziehen – so grandios, uhrwerkartig funktioniert hat. Es begann damit, allen Menschen, die sich engagieren, einzureden, dass sie Gutmenschen sind, sie lächerlich zu machen. Da sind Think-Tanks, also Denkfabriken am Arbeiten, die den Journalismus verseucht haben. Das ist gut gemacht und es sind auch gute Leute am Werken, aber es sind Ideologen. Wir müssen immer wieder bedenken, dass der Neoliberalismus einen ganz großen Trick anwendet.

Er nennt sich selbst ideologiefrei und ist eine Ideologie. Er nennt alle anderen Ideologen, die gar keine Ideologie mehr haben. Ich als Linker habe keine Ideologie mehr, wenngleich ich ehrlicherweise nie eine gehabt habe, weil ich eher im Anarcho-Block war. Aber ich wüsste zurzeit keine linke Ideologie, die greift oder die Linken glücklich macht. Ein bisschen Marx können wir verwenden, aber wir wissen auch, dass das seine Grenzen hat. Mit dem Sozialismus können wir nicht angeben. Es ist also ein Aufbruch. Der Neoliberalismus ist eine strenge, dogmatische Ideologie. Und er hat viele Menschen gehirngewaschen.

OÖN: Das klingt nicht gerade ermutigend. Sind wir also nicht in der Lage, aus der Krise die Lehren zu ziehen?

Wecker: Anscheinend war der Einschlag nicht groß genug. Wir haben uns nicht mehr richtig empört darüber, dass mit den Geldern, die wir zur Verfügung gestellt haben, die gleichen gierigen Typen wieder das Spekulieren angefangen haben, im internationalen Finanz-Casino ihre Spielchen treiben und uns schamlos nicht mehr ernst nehmen.

OÖN: Wie ließe sich das dann ändern?

Wecker: Wenn wir eine gerechtere Welt wollen, dann müssen wir uns anders vernetzen. Wir brauchen viel mehr Empörung, mehr Aufklärung über die Methoden der Gehirnwäsche. Ich nenne das bewusst Gehirnwäsche, und es klingt natürlich furchtbar hart. Aber sind wir uns ehrlich: Ist das alles noch Demokratie, was man uns als Demokratie verkauft? Wir sollten aufpassen. Ob ich es noch erleben werde, dass sich irgendetwas zum Besseren wendet, weiß ich nicht. Es ist mir auch egal, weil ich mache trotzdem weiter. Wenn man an einer Idee festhält, dann glaubt man an die Idee.

OÖN: Es geht ums Tun und nicht ums Siegen?

Wecker: Richtig.

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