Kleists Scherben als Premierenglück
Tribüne Linz: Kleists "Der zerbrochene Krug" setzt den Klassiker-Reigen fort.
Heinrich von Kleists Stück könnte ein aktueller Beitrag zur MeToo-Debatte um sexuelle Belästigung sein, wäre es nicht vor 210 Jahren uraufgeführt worden – am Weimarer Hoftheater, wo es in Goethes Inszenierung durchfiel. Viel Beifall erntete hingegen jene von Cornelia Metschitzer an der Tribüne Linz – geschickt auf eindreiviertel Stunden gekürzt und umgesetzt von einem passionierten Schauspielteam, in dem wie immer fast jeder mehrere Rollen und Kleists Blankverse souverän bewältigte. Stimmig eingeflochten, als wäre es dafür komponiert: Schuberts "Forellenquintett".
Vor dem finalen Glück bringen Scherben Unglück: Was, wenn ein Richter einen Schuldigen finden und verurteilen soll, der er selbst ist? Wie ein Chamäleon nimmt Rudi Müllehners Mimik alle Schattierungen an, entsprechend der sich immer mehr zuspitzenden Lage. Und die ist fatal verzwickt: Sein heimlicher, hinterlistig unmoralisch motivierter Besuch bei Eve endete in einem Scherbenhaufen. Was er immer verzweifelter zu verhüllen sucht, drängt sich umso mehr ans Licht, das bald auch anderen aufgeht, wie seinem aufstiegsaffinen Schreiber. Alexander Lughofer harrt genüsslich des Augenblicks der Wahrheit und auf des Richters Thron. Hemd an – und aus: Samuel Pock wechselt sicher wie rasant zwischen förmlichem Revisor und aufgelöstem Verlobten. Kristin Henkel macht charmant das Beste aus ihrer Rolle der verzagten, da zum Schweigen erpressten Braut. Paula Kühn ist ihre aufbrausend gestrenge Mutter. Beide tänzeln zudem als kokette Mägde über die Bühne, die im Tribüne-Stil mit wenigen, fantasievoll eingesetzten Utensilien auskommt. Kräftiger Premierenapplaus. (kasch)
Fazit: Kleists Klassiker als solider, kurzweiliger Theaterabend.
Alle Termine und Karten: 0699/11399844, tribuene-linz.at