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Kazuo Ishiguros ausgedachte Helden entschlüsseln die realen Abgründe

Von Peter Grubmüller, 06. Oktober 2017, 00:04 Uhr
Kazuo Ishiguros ausgedachte Helden entschlüsseln die realen Abgründe
Kazuo Ishiguro: "Das ist eine großartige Ehre." Bild: Reuters

Der Nobelpreis für Literatur geht an den 62-jährigen britischen Schriftsteller. Plus: Diese vier Romane sollten Sie von dem neuen Preisträger gelesen haben.

"Es wird immer wahrscheinlicher, dass ich tatsächlich jene Reise unternehme, die meine Fantasie bereits seit einigen Tagen mit einer gewissen Ausschließlichkeit beschäftigt" – mit diesem Satz beginnt Kazuo Ishiguros Welterfolg "Was vom Tage übrig blieb" von 1989. Es ist einer von insgesamt acht Romanen, die der 62-Jährige seit 1982 geschrieben hat – jeder davon "legt den Abgrund unserer vermeintlichen Verbundenheit mit der Welt bloß". Diese Formulierung stammt nicht von Ishiguro, sondern von der Nobelpreis-Jury, die dem gebürtigen Japaner, der ab seinem fünften Lebensjahr in England aufwuchs, gestern die Auszeichnung für Literatur zuerkannte. Der Preis ist mit neun Millionen Schwedischen Kronen (rund 940.000 Euro) dotiert und wird am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, in Stockholm überreicht.

Diese Entscheidung der Schwedischen Akademie hatte kaum jemand erwartet, dennoch ist sie ausgezeichnet. In Ishiguros Romanen blicken Ich-Erzähler mit japanischer Präzision und angelsächsischer Klarheit auf ein vergangenes Leben – sie ziehen Bilanz, sie ordnen ein. Die Fiktion von Ishiguros Individuen durchleuchtet zumeist ein reales Stück Zeitgeschichte.

Video: Literaturnobelpreis geht an Briten Kazuo Ishiguro

Debüt über Atombombe 1945

In seinem Debütroman "Damals in Nagasaki" (1982) erzählt er etwa durch die Augen einer nach England ausgewanderten Japanerin, die nach dem Tod ihres zweiten Mannes und dem Selbstmord ihrer Tochter über den Atombombenabwurf am 9. August 1945 reflektiert. "Was vom Tage übrig blieb" sind die Notizen eines Butlers, dessen Herr – Lord Darlington – auf die Lockerung der im Friedensvertrag von Versailles festgeschriebenen deutschen Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg drängte und deshalb als "Nazifreund" galt. 1993 wurde der Stoff von Regisseur James Ivory mit Emma Thompson und Anthony Hopkins verfilmt. In "Alles, was wir geben mussten" (mit Keira Knightley und Andrew Garfield verfilmt) berichtet Ishiguro von geklonten Kindern, die als menschliche Ersatzteillager für Wohlhabende aufgezogen werden.

In einer seiner seltenen tagespolitischen Einmischungen befürchtete Ishiguro 2016, dass der Brexit die Fremdenfeindlichkeit in seiner englischen Heimat anwachsen lassen könnte. Als gestern sein Name von Jury-Chefin Sara Danius bekannt gegeben wurde, hatte Ishiguro noch nichts von dieser Ehre gewusst. Sie habe ihn telefonisch nicht erreicht, sagte Danius. Der BBC sagte er im Laufe des Nachmittags, er fühle sich "geschmeichelt". Und weiter: "Das ist eine großartige Ehre, vor allem weil es bedeutet, dass ich in die Fußstapfen der größten Autoren trete, die je gelebt haben, das ist also eine wunderbare Auszeichnung."

Der Münchner Blessing Verlag wurde von der Nachfrage nach Ishiguros Büchern völlig überrascht. "Das hat uns aus dem Off erwischt", sagte Verlagsleiter Holger Kuntze. Der Nachdruck der Werke sei sofort in die Wege geleitet worden. Rund 300.000 Buchverkäufe dürfte der Nobelpreis allein in den kommenden Tagen im deutschen Sprachraum bringen.

Zum Porträt über Kazuo Ishiguro

Video-Kommentar: Die Literatur-Chefin des ORF, Katja Gasser, kommentiert die Entscheidung.

Wichtigste Werke

Um Punkt 13 Uhr wurde gestern Kazuo Ishiguro zum Nachfolger des im vergangenen Jahr umstrittenen Literatur-Nobelpreisträgers Bob Dylan bestimmt. Diese vier Romane sollten Sie von dem neuen Preisträger gelesen haben.

"Damals in Nagasaki": Als sich die Tochter von Etsuko, der vor vielen Jahren nach England ausgewanderten Japanerin, das Leben nimmt, holt die Mutter die Zeit ihrer Schwangerschaft während des Atombombenabwurfs in Nagasaki ein.

"Was vom Tage übrig blieb": Butler Stevens diente in Darlington Hall und stellte sein Leben ganz in den Dienst seines Lords, der als „Nazifreund“ galt. Eine Reise in die Vergangenheit eines bedingungslos Dienenden, bei der dieser auch seiner Liebe begegnet.

"Alles, was wir geben mussten": In einem Internat wachsen Klone auf, deren Körper als Ersatzteillager für die reiche Oberschicht zur Verfügung stehen sollen.

"Der begrabene Riese": Nach Kriegen der Briten und Angelsachsen im 5. Jahrhundert ist Britannien verwüstet. Die Außenseiter Axl und Beatrice machen sich auf, um ihren Sohn zu suchen – und erleben Abenteuerliches.

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