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Jede Begegnung - ein echtes Erlebnis

Von Clemens Hellsberg, 25. August 2018, 00:04 Uhr
Jede Begegnung – ein echtes Erlebnis
Leonard Bernstein prägte die Geschichte der Wiener Philharmoniker. Bild: Unitel

Heute wäre der Dirigent und Komponist Leonard Bernstein 100 Jahre alt geworden

"Verweile doch, Du bist so schön!" In der Musik kann es sie geben, jene Momente der Vollkommenheit, in denen die Zeit stillzustehen scheint: kostbare Meilensteine auf dem Weg zur Unendlichkeit! Die Wiener Philharmoniker hatten in den 24 Jahren ihrer Zusammenarbeit mit Leonard Bernstein wiederholt das Glück eines derartigen Erlebnisses: Es war in jeder Probe, in jeder Aufführung aufs Neue faszinierend, vom Enthusiasmus, mit dem Bernstein Musik gleichsam lebte, in den Bann gezogen zu werden.

In jeder großen Künstlerpersönlichkeit manifestiert sich auch das Lebensgefühl einer Generation. Arturo Toscanini etwa wurde in einer Zeit, in der menschenverachtende Ideologien ganz Europa bedrohten, zu einem Symbol der Hoffnung für unzählige Menschen, die um ihr Leben bangten; Herbert von Karajan personifizierte den Glauben an den (mittlerweile manchem Zweifel unterworfenen) technischen Fortschritt; Leonard Bernstein wiederum verlieh der Kunstausübung durch seine Menschenliebe eine höhere Ebene: Sie war von jener bezwingenden Unmittelbarkeit, welche die Friedensbewegungen der sechziger und siebziger Jahre auszeichnete.

Es versteht sich von selbst, dass Künstler dieser Dimension auch die Institutionen prägen, denen sie sich "durch das Band der Kunst" (wie dies Gustav Mahler einst gegenüber den Wiener Philharmonikern formulierte) verbunden fühlen. Die Arbeit mit Leonard Bernstein bildet einen markanten Abschnitt der Geschichte unseres Orchesters, und diese Tatsache war nicht nur im Moment des Abschieds allen Zeitzeugen bewusst: Die "Ära Bernstein" ist ein bleibender Bestandteil der philharmonischen Identität!

Legendäre "Falstaff"-Premiere

Die unbedingte Voraussetzung für die Mitgliedschaft bei den Wiener Philharmonikern ist die Zugehörigkeit zum Orchester der Wiener Staatsoper. Im Sinne dieser seit 1842 bewährten Symbiose kommt der Tatsache symbolische Bedeutung zu, dass unsere "Ära Bernstein" im März 1966 im Haus am Ring mit einer legendären Premiere von Giuseppe Verdis "Falstaff" begann.

Am Ende unseres gemeinsamen Weges, das im März 1990 mit drei unvergesslichen Konzerten in der New Yorker Carnegie Hall erreicht war, konnten wir auf insgesamt 42 Opernvorstellungen sowie 197 Konzerte zurückblicken, zu denen zahlreiche Platten- und TV-Aufnahmen kamen, die Bernsteins Auseinandersetzung mit Mahler, Beethoven, Schumann, Brahms oder zuletzt mit Sibelius und Schostakowitsch dokumentieren.

Wenn Leonard Bernstein zu uns kam, so bedeutete dies stets eine Phase leidenschaftlicher Arbeit. Er hat gelacht und geflucht, er war glücklich und verzweifelt, er konnte ungeduldig und unbeherrscht sein, aber er verkörperte in jeder Sekunde mitreißenden Glauben an die Musik – und dafür haben wir mit ihm gelacht und geflucht, haben gelitten und waren glücklich, dafür haben wir ihn geliebt, dafür bin ich ihm heute noch ebenso dankbar wie bei meiner ersten Begegnung mit ihm im Rahmen der Salzburger Festspiele 1975, als wir Mahlers Achte Symphonie aufführten.

Botschaft der Versöhnung

Wenngleich es bei einer so faszinierenden Erscheinung kaum angebracht erscheint, einzelne Höhepunkte hervorzuheben, da jede Begegnung ein Erlebnis war, sei hier auf ein Ereignis besonders hingewiesen, weil es die durch Musik vermittelte Botschaft von Humanität und Versöhnung in berührender Weise verständlich machte: die erste Reise unseres Orchesters nach Israel im September 1988 – Bernsteins Wunsch zu seinem 70. Geburtstag, den ihm sein "Lieblingsorchester", wie er uns oft und öffentlich nannte, mit Freude erfüllte.

Leonard Bernstein hat seine Begeisterung für die Musik in viele, viele Herzen getragen. Sein einziger handgeschriebener Brief an unser Orchester bringt besser als jeder Kommentar zum Ausdruck, in welcher Atmosphäre seelischer Übereinstimmung unsere Konzerte mit ihm stattfanden – und seine Worte vom September 1979 sollen daher diese Hommage beenden: "An alle meine Collegen der Wiener Philharmoniker: Brüder! Ich kann mich nicht erinnern an eine höhere Sternstunde als die die wir zusammen mit der Neunte[n] Beethoven musiziert haben. Herzlichst Danke! Leonard Bernstein".

Clemens Hellsberg

Geboren in Linz, wuchs Clemens Hellsberg (66) in Wien auf, wo er Violine, Musikwissenschaft und Alte Geschichte studierte. 1976 wurde er beim Orchester der Wiener Staatsoper angestellt, wo er zwei Jahre später Primgeiger wurde. 1980 nahmen ihn die Wiener Philharmoniker auf, deren Vorstand er – Werner Resel folgend – von 1997 bis 2014 war. 2016 ging er in Pension. Aus seiner Feder stammen bisher drei Publikationen über das Orchester: „Demokratie der Könige. Die Geschichte der Wiener Philharmoniker“ (Schott-Verlag, 1992) folgten 2015/’16 in zwei Bänden „Philharmonische Begegnungen: Die Welt der Wiener Philharmoniker als Mosaik“ (Braumüller Verlag).

L. Bernstein (1918-1990)

  • 1918 - Geburt: Geboren wird Louis Bernstein als Sohn jüdischer Einwanderer in Massachusetts. Mit 15 lässt er seinen Vornamen ändern.
  • 1939 - Anfänge: 1939 beendet er sein Harvard-Studium. Er macht sich einen Namen als Dirigent und Komponist. Seine „West Side Story“ avanciert 1957 zum Hit.
  • 1958 - Erfolge: 1958 wird er Chefdirigent der New Yorker Philharmoniker. Bis 1969 führt der Mahler-Spezialist das Orchester zu Weltruhm. Mit seiner TV-Sendung „Young People’s Concerts“ begeistert er die Jugend.
  • ab 1970 - Ruhm: In den 70ern und 80ern schreibt er Opern und Musicals – und spielt Grammy-prämierte LP-Aufnahmen ein.
  • 1990 - Tod: Am 14. Oktober stirbt Bernstein 72-jährig an akutem Herzversagen. Er hinterlässt drei Kinder. Sein Grab befindet sich Brooklyn.
     

Der Mentor

1974 fand für Heinz Haunold, der 34 Jahre lang Konzertmeister des Linzer Bruckner Orchesters (bis 2017) war, diese folgenschwere Begegnung statt. „Gleich nach der Matura lernte ich als Mitglied des Weltorchesters von Jeunesse Musicales Bernstein kennen“, sagt der Geiger (im Bild mit Bernstein). Die Proben und Konzerte - etwa bei Olympia 1976 in Montreal und in Tanglewood (Berlioz’ „Fantastique“) - seien für ihn entscheidend gewesen, diesen Beruf zu ergreifen. Haunold: „Sein Brennen für Musik war ansteckend. Sein Wesen hat uns alle geprägt.“

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2  Kommentare
2  Kommentare
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ichauchnoch (9.802 Kommentare)
am 25.08.2018 11:52

Haunold: „Sein Brennen für Musik war ansteckend. Sein Wesen hat uns alle geprägt.“
Hoffentlich nur dieses, denn die "Tschick" bei den Proben, das war nicht gerade ein gutes Vorbild. Heute undenkbar. Da würden wohl die Musiker den Dirigenten auspfeifen.
Nichts desto trotz ein hervorragender Dirigent, Musiker, undundund

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jago (57.723 Kommentare)
am 25.08.2018 19:23

Die Pharisäerzeit wird auch wieder vorüber gehen zwinkern

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