Ein später Heimkehrer gibt Vollgas

Von Nora Bruckmüller   08.August 2015

Heute feiert Elisabeth Scharangs Film "Jack" beim Schweizer Filmfest in Locarno Weltpremiere. Auf der Leinwand der "Piazza Grande" werden – neben Johannes Krisch als Serienmörder Jack Unterweger – tausende Cineasten und Branchengäste auch einen Mühlviertler sehen: Rainer Wöss. "Jack" ist nur eine der vielen heimischen Produktionen, in denen Wöss plötzlich auftaucht. In einem Jahr hat er acht Projekte durchgezogen, darunter den Kinofilm "Einer von uns" über die Supermarkt-Tragödie 2009 in Krems, den Oberösterreich-Landkrimi (ORF), Soko Donau, Soko Kitzbühel ... Zu sehen nach und nach ab September.

"Ich sag’ Ihnen, ich könnte zurzeit so viel schlafen", gesteht der in St. Martin im Mühlkreis verwurzelte Wöss auch im Interview. "Ich habe ein Jahr lang Vollgas gegeben." Das glaubt man dem 52-Jährigen sofort, der so gerne mit dem ganzen Körper erzählt und spielt – vor allem mit der Stimme.

"Unter welchem Salatblatt haben Sie sich denn versteckt?" sei die Frage, die er seit neuestem so oft hört. Und gleich einmal nasal und sehr gekonnt sowie sehr deutsch vorträgt. Seit 18 Jahren lebt er mit Ehefrau Verena Berger – mit der Schauspielerin hat er Tochter Lina (13) – in Berlin, wo u.a. das "Maxim Gorki Theater" zur kreativen Heimat wurde. Nach Stationen in Bregenz, Innsbruck und Linz, wo er bis 1984 an der Bruckner-Universität studiert hat.

Dorthin gebracht hatte ihn seine Schwester. Wöss: "Ich habe damals Betriebswirtschaft studiert. Und sie hat gesagt: ,Ich spür’ das genau, dir fehlt was.’" Sie lotste ihn zur Aufnahmeprüfung. "Und sie haben mich genommen." Trotz Zweifel ging er in den Unterricht und zeigte den Eltern, damals Inhaber des ADEG-Supermarkts in St. Martin, brav weiter BWL-Scheine. "Das waren aber alte Zeugnisse. Ich habe ihnen versprechen müssen, auch weiter BWL zu studieren. Nach gut einem Jahr konnte ich aber nicht mehr. Ich wollte nicht mehr lügen und mir war alles zu wichtig geworden. Ich war infiziert." Eingefangen habe er sich das Schauspielvirus am Landestheater Linz, mit zwölf Jahren als Chorsänger in "Jeanne d’Arc".

Dialektstudium beim Bauern

"Es ging über die Nase, und Geruchsrezeptoren habe ich ja genug", erklärt der Darsteller, dreht sein Gesicht mit der markanten Nase ins Profil. Und wie hat es gerochen? "Nach der Brandschutz-Imprägnierung." Theater habe eben seinen eigenen Geruch mit Noten "von Holz, Staub, Schweiß, auch Chemikalien".

Wöss mag es, wenn über kurze Sinneseindrücke viel erzählt wird. Das gefällt ihm auch am Klang des Dialekts, den er als Hauptdarsteller in Karl Markovics’ "Superwelt" (2014) nutzte. Studiert hatte er die Mundart, nach fast 25 Jahren Bühne, in St. Martin. "Ich habe dort meinen Lieblingsbauern, den Schereider." Hochdeutsch: Schönreiter. Dort parlierte er allabendlich mit den Landwirten. Nach ein paar Tagen urteilten sie über seinen erneut geschliffenen Dialekt: "Er kaus jo eh." Wöss stolz: "I werd imma a Mühlviertler bleiben."