Ein Marathon ist dagegen bloß ein Spaziergang

Von Michael Wruss   25.August 2011

Und das mit ausschließlich zeitgenössischer Musik, bei der der Begriff tatsächlich zutrifft, denn keines der Werke war älter als 15 Jahre. Dass Grubinger sensationell ist, muss man nicht jedes Mal betonen, hingegen war die Leistung des Schleswig-Holstein Festival Orchesters mehr als großartig. Unglaublich, wie viel diese Meister von morgen in derart kurzer Zeit studieren und auf welch hohem Niveau!

John Axelrod hat das Orchester wunderbar und höchst impulsiv, konzentriert und doch launig durch diesen Marathon geführt. An diesem Abend wurde niemandem etwas geschenkt. Vier der sechs Konzerte wurden direkt für Martin Grubinger und seine schier grenzenlosen Möglichkeiten komponiert, angefangen vom effektvollen Konzert op. 23 des philharmonischen Solopaukers Bruno Hartl bis zum mit zündenden Rhythmen zum Bersten prall gefüllten Opus des israelischen Komponisten Avner Dorman, bei dem nur der Titel „Frozen in Time“ kühl wirkt. Die Musik selbst ist so explosiv wie ein überkochender Kelomat.

Ein wenig verspielt und mehr auf künstliche Effekte denn auf tiefe musikalische Emotionen aus ist Rolf Wallins Mozart-Verschnitt „Das war schön!“. Geschickt gemacht, aber wenig Tiefgang. Das vierte dieser Widmungskonzerte ist das wohl längste und großartigste, das Grubinger gleich an den Beginn seines dreiteiligen Konzertes setzte, nämlich das 2007/08 entstandene Konzert für Schlagzeug und Orchester von Friedrich Cerha, der sich die Aufführung in Salzburg nicht entgehen ließ. Zwar klang auch sein Werk wie ein Konzert für Orchester mit obligatem Schlagwerk, denn der Großteil des melodischen Geschehens spielt sich nun einmal im Orchester ab, dennoch ist dieses Werk in seiner ganzen Struktur, seiner klanglichen Ausbalanciertheit und mit der stilsicheren Pranke des Altmeisters perfekt und nicht bloß Schaustück für einen großen Virtuosen, sondern große Musik, die viel zu sagen hat.

Spannend auch John Coriglianos „Conjurer“, ein dem Cerha-Werk sehr ähnlich aufgebautes, aber doch ganz anders sprechendes Werk. Den Abschluss machte das älteste Stück – „Prism Rhapsody“ der „Grande Dame der Marimba“ Keiko Abe, das in Grubingers Interpretation eine sensationelle Wirkung erzielte.

Kein Solist, sondern Partner

Was bei seinem Spiel fasziniert, ist einerseits das völlig kollegiale Miteinander. Da stellt sich kein Solist präpotent in die Mitte, sondern er ist Partner und nimmt auch auf Pannen wie eine gerissene Harfensaite mit Gelassenheit Rücksicht. Andererseits geht seine Musikalität weit über das Schlagtechnische hinaus, und es gelingen berührende Momente und bezaubernde Klänge von ungeahnter Schönheit. Und das macht einen großen Künstler aus, dass Technik nicht bloß Selbstzweck ist, sondern Hilfsmittel, um mit Musik zu sprechen. Dementsprechend der Jubel beim Publikum.