Dieser West Side Story nimmt man (fast) alles ab

Von Helmut Atteneder   29.Juli 2017

West Side Story: Die schmerzhafte Geschichte der unglücklichen Liebe zwischen Romeo und Julia. Mittels Zeitmaschine ins brodelnde New York der 1950er Jahre gebeamt. Vermischt mit dem genialen Wurf des damals aufstrebenden Komponisten Leonard Bernstein: Diesen Klassiker der Musical-Geschichte trauen sich heute nicht mehr viele Festivals auf die Freilichtbühnen zu bringen. Hier muss alles stimmen: Sänger, die tanzen können, Tänzer, die singen können, ein vielseitiger Bühnenbildner, spritzige Choreografen und sattelfeste Musiker.

Eintrag mit Rufzeichen

Das Musikfestival Steyr darf seit seit Donnerstagabend diese Herausforderung in sein Geschichtsbuch eintragen. Mit gewissem Stolz und einem dicken Rufzeichen. Viele der eingangs erwähnten Parameter wurden mit Bravour gemeistert, herausgehoben seien die besonders gelungenen Arbeiten von Regisseurin Susanne Sommer und Bühnenbildner Georg Lindorfer.

Letzterer machte das gesamte Areal im Schlossgraben von Schloss Lamberg zur Spielwiese – und aus der Fassade des Schlosses eine multifunktionale Projektionsfläche. Die dabei gezeigten Elemente waren manchmal fast zu fesselnd, sodass sie ab und zu von der Handlung darunter ablenkten. So fand die gespielte Vermählung von Tony und Maria unter einer riesigen Kirchenfenster-Projektion statt (stimmig), bei Somewhere mussten Kriegsszenen und sogar 9/11 herhalten (zu martialisch).

Regisseurin Susanne Sommer ging mit Lindorfer Hand in Hand vor, ließ alle Höhen und Tiefen des Geländes bespielen – von einem hochwertigen Ensemble, das Intendant Karl-Michael Ebner großteils aus der Wiener Volksoper rekrutierte. Choreograf Florian Hurler gab den rivalisierenden Gangs Jets und Sharks deutlich erkennbare Identifikation und Siegmund Andraschek leitete ein gut aufeinander eingespieltes Cross Over Orchestra Vienna.

Ach, ja, die Hauptrollen – sie sollen bei aller positiver Kraft dieser Gesamtleistung nicht unerwähnt bleiben. Juliette Khalil gab dem Abend einen gewissen Zauber. Sie spielte eine umwerfend stimmige Maria, sang in allen Höhen sicher. David Sitka hatte es im Vergleich dazu als Tony schwer, aber auch er wusste zu überzeugen – vor allem sein "Maria" war ein Geschenk. Auch die anderen Solisten waren gut besetzt, wobei man sich den einen oder anderen zusätzlichen Local-Heroe gewünscht hätte. Die technischen Patzer (Mikrofone) dürfen als Randnotiz einer absolut gelungenen Premiere erwähnt werden.

 

Musikfestival Steyr: "West Side Story" von Leonard Bernstein, Premiere 27. Juli.

OÖN Bewertung:

Weitere Termine: 28., 29. Juli, 3., 4., 5., 10., 11. und 12. August Karten: 0664/4072122