Die schöne Grace geht vor die Hunde
Landestheater Linz: "Dogville" nach Lars von Trier öffnet das Tor zum Rand der Zivilisation.
Wie sie angezogen ist, kann sie nicht in dieses Dreckslock passen. Ob es Grace vom Charakter her schafft, dazuzugehören, wird sich in "Dogville" weisen. Das Stück hatte am Landestheater Linz in der Regie von Schauspiel-Chef Stephan Suschke am Samstag Premiere.
Grace, gespielt von Anna Rieser, glitzert wunderschön in ihrem zartrosa Pailletten-Kleid. Doch "Dogville", das auf dem gleichnamigen Film (2003) des Verstörungs-Profis Lars von Trier basiert, ist ein Ort am Rand der US- Zivilisation. Die große Depression hat das Land gezeichnet.
Anders als im reduzierten Film ist die Bühne in den Kammerspielen (Momme Röhrbein), auf der sich eine begrenzte Welt um acht Hütten dreht, ein pittoresker Ort. Dekor und Kulisse sind eine gelungene Verneigung des Theaters vor etwas gewohnt Angenehmem, etwas, das man aus dem Kino kennt.
Es sieht nach Western mit einem "Hauch" von Mafia aus. Ein riesiges, vergilbtes Werbeschild erinnert an gute Zeiten. Es herrscht schäbiger Schick, der sich irgendwie nach wilder Romantik anfühlt.
Doch was mit Grace passiert – einer Fremden, die hier strandet, weil sie flüchten musste –, wird böse enden. Dazu muss man nicht wissen, dass von Trier stets für tiefste Abgründe steht. Man spürt es in der Atmosphäre. Grace will sich hier an elementaren Werten festhalten: Unterstützung, Akzeptanz, Liebe. Das funktioniert, solange sie tut, wie ihr geheißen. Doch beinah unmerklich schnell verschiebt die von Rieser fabelhaft dankbar, weise, fröhlich gespielte Grace die Ordnung. Je lebenswerter die Stadt durch sie wird, je stärker ihre geheimnisvolle Herkunft als Gefahr ausgelegt wird, umso erbarmungsloser wird sie auf perfide Art zur Sklavin degradiert.
Alle zehn Bewohner – von der raffiniert, weil nicht gar so ganz heimlich hantigen Ma Ginger (Katharina Hofmann) über den grandios ferngesteuerten Lastwagenfahrer Ben (Benedikt Steiner) bis hin zum gekonnt vergrämten Chuck (Christian Taubenheim) – wird die Stadt ihrem Namen gerecht: ein Dorf der Hunde. Mit Frauen, die fies zuschnappen, und Männern, die sich an Grace sexuell abreagieren. Eine verrohende Bande, deren Sog sich nicht einmal "der Denker" Tom entziehen kann, der Grace Liebe schwört und den Markus Pendzialek spürbar gut, weil mit fast schmerzhafter Naivität ausstattet. Dieser Reigen an Verkehrungen und Szenen gerät stark ausbalanciert. Gegen Ende bremst diese Gleichförmigkeit auch etwas. Obwohl Menschen in Extremen vergehen, scheint das auch abgeschliffen. Doch wenn Grace ihre Maske fallen lässt, könnte das Gesamtkunstwerk noch stärker durch Mark und Bein gehen.
Fazit: Ein gelungener Ritt in schäbigste Abgründe, der am Ende noch schärfer ausfallen könnte.
Weiters 5., 13., 18., 20. 12., Karten-Tel.: 0732/76 11-400