Die Society-Lady mit dem hoffnungslos losen Mundwerk
Birgit Minichmayr las im Linzer Posthof aus den fulminanten "New Yorker Geschichten" von Dorothy Parker (1893–1967).
Vor ihrem beißenden Spott und ihrer scharfen Beobachtungsgabe war im New York der Zwanziger- und Dreißigerjahre wirklich niemand sicher. Geistreich persiflierte Dorothy Parker (1893–1967) in pointierten, oft ins Bösartige tendierenden Gedichten und Kurzgeschichten die Reichen, die Schönen und Allzuwichtigen. Eine Auswahl ihrer fulminanten "New Yorker Geschichten" präsentierte am Samstagabend Birgit Minichmayr bei einer Lesung im Linzer Posthof. Eine echte Paraderolle für die Ex-"Buhlschaft", die sich mit Verve – und sichtlicher Freude – den Charakter der feministischen Society-Lady mit hoffnungslos losem Mundwerk überstülpte.
Großes Erzählkino
Herrlich war gleich zu Beginn die Erzählung "Ein Arrangement in Schwarz und Weiß", in der eine weiße Dame der oberen Zehntausend den Gastgeber einer Cocktail-Party nötigt, ihr den schwarzen Star-Sänger Walter Williams vorzustellen. Wie sich die als liberal und aufgeschlossen gebärdende Dame sich in Folge als rassistische Schreckschraube entpuppt, ist großes Erzählkino, das Minichmayr mit kleinen Gesten kongenial zum Leben erweckte. 100 Jahre alt, und doch hochaktuell!
Politisch nicht akzuentiert, aber kaum weniger komisch: Parkers Tagebuch-Einträge, die aus einer Abfolge aus wilden Partys ("Noch ein Martini, und ich liege unter dem Gastgeber"), öden Premieren und verzwickten Liebeswirren bestehen. Quasi die "Roaring Twenties"-Version von "Sex & The City". Zeitlos gültig auch Parkers komischer Monolog über die Verliebte, die sehnsüchtig auf den Anruf des Geliebten wartet und dabei die emotionale Skala von Verzweiflung über Wut bis hin zu Mordgedanken durchlebt. Ihre ganze Schauspielkunst konnte Minichmayr zum Schluss des vergnüglichen Abends als so rotzb’sffene wie verzweifelte Wirtshaus-Philosophin in "Nur einen Kleinen" ausbreiten. Zitat: "Nur ein Bergwerk würde ihrer Visage noch mehr schmeicheln." Stürmischer Applaus!
Fazit: Schauspielikone (Birgit Minichmayr) las Texte einer genialen Gesellschaftssatirikerin (Dorothy Parker) – eine Kombi, bei der nichts schief gehen konnte – und ging.