Die Kunst – das Leben: 150 Jahre Gustav Klimt

Von Irene Gunnesch   20.Februar 2012

Wien um 1900. Wer wie Gustav Klimt in diese Zeit vor und während des donaumonarchischen Zusammenbruchs und der Aufbereitung von Nazi-Deutschland hineinzuwachsen hatte, musste sich entscheiden. Entscheiden, auf den trügerisch glänzenden Talmi-Oberflächen des Wien um die Jahrhundertwende mitzupaddeln, oder gegen den Strom zu schwimmen.

Betrachten wir die oft sehr dekorativ anmutende Ornamentik in Gemälden Klimts, so ist es schwer vorstellbar, dass dieses Werk ein Schwimmen gegen den Strom der Zeit und dem Widerstand gegen eine damals zum verschönernden Beiwerk herabgewürdigte Kunst entsprungen war. Schwer vorstellbar ist angesichts seines heute durchaus pervertiert in die Höhe geschraubten Marktwerts auch, dass Klimts Arbeiten besonders in der deutschsprachigen Kunstkritik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts teilweise völlig ignoriert und hauptsächlich im Ausland ausgestellt wurden.

Am 14. Juli 1862 in Baumgarten bei Wien als zweites von sieben Kindern des aus Böhmen stammenden Goldgraveurs Ernst Klimt und seiner Frau Anna Rosalia geboren, sollte er zunächst wie sein Vater Goldschmied werden. Von 1876 bis 1882 studierte er jedoch aufgrund eines Stipendiums an der Kunstgewerbeschule in Wien und eröffnete um 1883 mit seinem jüngeren Bruder Ernst und Franz Matsch ein Atelier für Theatervorhänge, Wanddekor und Deckenfresken. Rasch etablierte er sich mit seinen Bildern, erhielt 1890 den Kaiserpreis für seine Innenansicht des danach abgerissenen alten Burgtheaters.

Sich bald abkehrend von akademischer Tradition, wurde er Mitbegründer der Wiener Secession und deren erster Präsident (1897– 1899). 1905 trat Klimt aber wegen des dort zunehmend praktizierten Naturalismus aus der Secession aus. Seine Werke – darunter der Beethoven-Fries (jetzt wieder dort zu sehen) – wurden daraufhin aus dem Secessionsgebäude entfernt.

Goldene Periode

Einen Kunstskandal hatte Klimt bereits um 1900 mit seinen drei monumentalen Deckengemälden „Philosophie“, „Medizin“ und „Jurisprudenz“ für die Wiener Universität ausgelöst: Seine flächige ornamentale Abstraktion (die heute als wesentlicher Impuls für die Moderne gilt) und die Freizügigkeit seiner Darstellung stießen auf völliges Unverständnis.

Eine enge Freundschaft hingegen verband Klimt mit den Gründern der Wiener Werkstätte Kolo Moser und Josef Hoffmann, für dessen Brüsseler Gesamtkunstwerk, das Palais Stoclet, er einen Fries im Speisesaal schuf. Auch Egon Schiele, der ihm wesentliche Inspirationen verdankte, war ihm freundschaftlich verbunden.

Die Jahre 1906–1909 gelten durch Klimts üppigen Gebrauch von mysteriös und materiell bedeutend wirkendem (Blatt-)Gold als „Goldene Periode“. Viele seiner berühmtesten Werke wie etwa „Der Kuss“ sind in dieser Zeit entstanden.

Lebendiger denn je

Ungeachtet der streckenweise öffentlich-medialen Ablehnung liebte seine vorwiegend aus dem jüdischen Großbürgertum stammende „Klientel“ die Erotik seiner Darstellungen. Viele Wienerinnen ließen sich von Klimt porträtieren, Mit manchen – Serena Lederer, Adele Bloch-Bauer, Emilie Flöge, Alma Mahler-Werfel – soll er Verhältnisse gehabt und 17 Kinder gezeugt haben. Elisabeth Bachofen-Echt, die Tochter von Serena Lederer, erwirkte jedenfalls während der NS-Diktatur einen „Abstammungsbeweis“, demzufolge ihr Vater der „Arier“ Gustav Klimt und nicht der Jude August Lederer gewesen sei, was ihr wohl das Leben rettete.

Nach einem Schlaganfall starb Klimt am 6. Februar 1918 im Wiener AKH. Seine Kunst jedoch ist heute lebendiger denn je.

 

Klimt im Kuriositätenkabinett: Schneiberl, Barbie, Bussibär

Kein Entkommen gibt es allüberall vor Klimts Motiven, die einerseits hochkarätige Kunstgeschichte geschrieben haben: Adele, Kuss & Co sind aber auch potente Werbeträger, bedienen einen absurden, aber großen Markt.

Wie anders ließe es sich erklären, dass dieses sogenannte „Non-Book-Segment“ im Museumsshop des Klimt-Flaggschiffs im Belvedere satte 80 Prozent ausmacht? Lackkommoden, Schneekugeln („Schneiberl“), Tücher, Topflappen, Streichhölzer, Eier, Espresso- und andere Tassen, Steiffbären, Kugelschreiber, ein Mäntelchen für den Hund – reproduzierte Klimt-Motive sind omnipräsent. Brandaktuell sind sie auch in der Fernsehwerbung eines österreichischen Herstellers für süßeste Früchtchen: da steigt die hingebungsvolle Klimt-Küsserin gar aus ihrem Gemälde, um mit Auerhahns Prinz Eugen aus so manch naturreinem Töpfchen zu naschen – und sich dann ins falsche Bild zu verirren. Jössasna!

Goldmünzen mit Klimt-Motiven werden geprägt, Leinwände bedruckt und gefirnisst, mitunter gar im Blattgold-Rahmen (nach dem Hoffmann-Original) angeboten. Dass es nun sogar einen Kirchendachziegel mit Adele-Motiv geben soll, dem der Produzent attestiert, dass daran „der große Meister bestimmt seine Freude“ gehabt hätte, ist ein weiteres Beispiel aus einem Kuriositätenkabinett, das sich wohl längst noch nicht erschöpft hat....