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Der Mythos des Alten Fritz

Von Martin Dunst, 21. Jänner 2012, 00:04 Uhr
Der Mythos des Alten Fritz
Bild: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz

Der Geburtstag des Preußenkönigs Friedrich des Großen jährt sich am Dienstag, 24. Jänner, zum 300. Mal. In Deutschland ist das der Beginn des Friedrich-Jahres. Biografien und Ausstellungen schießen wie Schwammerl aus dem Boden. Das Leben des Erzfeindes von Kaiserin Maria Theresia liefert Stoff für gute Geschichten.

Die Figur war für mich schon immer irritierend interessant“, sagt der Historiker Tillmann Bendikowski, der bei Bertelsmann eine aktuelle Biografie namens „Friedrich der Große“ veröffentlicht hat. Die Lektüre von Geschichtsbüchern habe ihn nie zufriedengestellt. „Ich habe nie verstanden, warum Friedrich diesen Platz in der deutschen Geschichte einnimmt.“ Um das zu verstehen, müsse man nämlich die gesamten 300 Jahre gleichberechtigt betrachten. „Gestorben ist er als Friedrich der II. und nicht als Friedrich der Große. Die Erinnerungsgeschichte nimmt erst nach seinem Tod so richtig an Fahrt auf“, sagt der Autor. Was macht diese historische Figur noch heute faszinierend? „Er war mehrfach talentiert, in Kunst, Musik und Politik, galt als intelligent und hochbegabt“. Friedrich war Schöngeist und Kriegsherr. In seiner Kindheit litt er unter seinem strengen Vater.

Der Soldatenkönig stellte seinen Spross im zarten Alter von sechs Jahren in den königlichen Dienst, übergab ihm das Kommando über ein 131-köpfiges Knabenregiment. „Der junge Friedrich hatte lange Haare, schlief gerne lange, fiel vom Pferd und hatte Angst vorm Schießen“, berichtet Bendikowski. Den Soldatenrock bezeichnete der Thronfolger als „Sterbekittel“, wohl auch, um gegen den Vater und dessen raubeinige Gesellen zu rebellieren. Seine Einstellung zum Soldatenhandwerk und zum Krieg sollte sich spätestens mit seiner Thronbesteigung 1740 ändern. Kaum richtig Platz genommen auf dem Regentenstuhl, führte Friedrich II. seine hochgerüstete Armee ins Feld. Preußen hatte es auf das damals reiche Schlesien abgesehen und führte Krieg gegen Österreich. Das führte zu einer lebenslangen Feindschaft mit der Habsburger-Kaiserin Maria Theresia, die im gleichen Jahr wie Friedrich, im Alter von nur 23 Jahren, die Thronnachfolge angetreten hatte. Persönlich begegnet sind sich die beiden zeitlebens nicht. Vom ersten Feldzug an begleitete der König seine Soldaten auf das Schlachtfeld – das war in der damaligen Zeit nicht üblich.

„Der Regent verbrachte Jahre im Feld, das prägte den Mythos vom Alten Fritz entscheidend.“ Mit 28 Jahren sei der König alles andere als ein erfahrener Schlachtenführer gewesen, „er lernte gezwungenermaßen am lebenden Objekt.“ Der österreichische Historiker Friedrich Weissensteiner attestiert dem Preußenkönig „ein hohes Maß an militärischem Geschick.“ Tillmann Bendikowski bezeichnet den Alten Fritz als „Spieler“, der bei militärischen Operationen alles auf eine Karte gesetzt habe, „einmal hätte er um ein Haar sein gesamtes Reich dem Untergang geweiht, doch zur Faszination dieses Mannes gehört eben immer wieder auch eine gehörige Portion Glück.“ Schlesien mitsamt der blühenden Textilindustrie ging an Preußen, Wien war in die Schranken gewiesen. „Da war der junge König schon so etwas wie der Superstar seiner Zeit“, sagt Bendikowski. Der Angriffskrieg gegen Schlesien sei aus einer gewissen Staatsraison heraus geführt worden, so merkwürdig das heute auch klingen mag. Friedrich ordnete alles dem Wohle Preußens unter.

Windhunde und drei Furien

Er hat sich sogar als „Erster Diener des Staates“ bezeichnet. Ein Zitat, das wohl keinem anderen absolut regierenden Herrscher jener Zeit je über die Lippen gekommen wäre. „Das mit dem Dienen darf man nicht wörtlich nehmen“, sagt Historiker Bendikowski. Gemeint habe Friedrich damit auch, dass er der klügste Kopf im Staat sei und für alles Verantwortung trage. „Der gute Fürst lädt sich wie einst Atlas alles auf seine Schulter“, lautete ein Ausspruch des Königs, dem er getreulich Folge geleistet haben dürfte. Friedrich mischte sich in den Textilhandel ein, er änderte Gerichtsurteile ab, überwachte den damals wichtigen Kartoffelanbau und vieles mehr. Kurzum: „Er brachte seine Beamten und Minister zur Verzweiflung, weil er immer alles besser gewusst hat.“ Überhaupt dürfte Friedrich nicht unbedingt ein Menschenfreund gewesen sein, er soll Schwächen seines jeweiligen Gegenübers rasch erkannt, ausgenutzt und in Gesellschaft gerne angesprochen haben. Von seiner eigenen Genialität dürfte er ziemlich überzeugt gewesen sein.

Querflöte und Voltaire

Der König arbeitete jedoch hart und viel, und wenn er einmal nicht mit Regieren oder Kriegführen beschäftigt war, widmete er sich den schönen Künsten. Er spielte leidenschaftlich gerne Querflöte, verkehrte mit Voltaire, beschäftigte sich mit seinen Windspielen und liebte seine Windhunde. Nicht geliebt haben dürfte er seine Ehefrau Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern. Er machte kein Hehl daraus, dass er mit dieser, seiner Meinung nach durchschnittlichen Dame wenig anfangen könne, verbannte sie kurz nach der Hochzeit in ein eigenes Schloss. Das Paar blieb kinderlos. Immer wieder ist von homosexuellen Neigungen Friedrichs zu lesen. „Darauf wird es keine Antwort geben, es lassen sich keine Beweise finden, dieses Geheimnis hat der Herrscher mit ins Grab genommen.“

Die drei Furien

Auf dem politischen und diplomatischen Parkett verhält sich der König selten so, wie man es von einem guten Diplomaten alter Schule erwartet hätte. Er selbst sagt, er hätte es in der Außenpolitik mit den drei Furien zu tun, und meinte damit Kaiserin Maria Theresia, die russische Zarin Elisabeth und Madame Pompadour, die Mätresse des französischen Königs Ludwig XV. Von Gleichberechtigung konnte vor 250 Jahren noch nicht ansatzweise die Rede sein.

Für Friedrichs Verhalten gilt: Wer siegt, hat recht. Mit vielen gewagten Aktionen und Aussagen kam die Spielernatur ungestraft davon. Nach innen agierte er allerdings als geschickter Staatsmann und liberaler als andere Regenten seiner Zeit. Religionsfragen behandelte er pragmatisch: „Jeder soll da nach seiner Façon glücklich werden“, lautete ein Ausspruch. Die Katholiken aus Schlesien durften sogar mitten im protestantischen Preußen eine Kathedrale errichten. Nach außen gab er sich tolerant und großzügig, insgeheim hat der Preußenkönig aber die Katholiken verachtet, auch wenn er selbst nicht unbedingt ein tiefgläubiger Protestant war.
Preußen, die fünfte Macht

1786, nach mehr als vierzig Jahren an der Macht, starb Friedrich II. ziemlich vereinsamt in Potsdam. Sein Preußen stand allerdings größer und besser da als je zuvor, war als fünfte Großmacht neben England, Frankreich, Russland und Österreich etabliert. Zudem sollte er alle Herrscher Preußens vor und nach ihm in den Schatten stellen. „Jetzt wird es wieder richtig interessant. Nach seinem Tod wird auf einem langen Weg aus Friedrich II. Friedrich der Große.“ Der Herrscher müsse allen dienen: „Den Liberalen und den Konservativen, den Nationalsozialisten und der SED in der ehemaligen DDR – jeder macht das aus dem Preußenkönig, was gerade benötigt wird, einmal Held, dann wieder Bösewicht.“ Das sei ein gutes Beispiel dafür, „wie wir uns unsere Geschichtsbilder nach Belieben formen, ohne Rücksicht auf die historische Figur. Spätestens mit der Instrumentalisierung Friedrichs des Großen durch die Nazis müsse einem die historische Figur richtig leidtun. „Wenn Göring Friedrich den Großen als ersten Nationalsozialisten auf dem Thron bezeichnet, wird einem richtig schlecht.“ Der Historiker und Biograph ist überzeugt: „Friedrich hätte für den kleinbürgerlichen Wahnsinn der Nazis nur Verachtung übrig gehabt.“

1991 wurde der letzte Wille von Friedrich dem Großen vollstreckt. Seine Gebeine wurden von der Burg Hohenzollern in eine Gruft beim Schloss Sanssouci überführt. „Die politische Figur ist tot“, sagt dazu Bendikowski. Zum ersten Mal stehe zum ersten Mal allein die historische Figur im Mittelpunkt. Ein großes Fest anlässlich des 300-Jahr-Jubiläums ist für den Historiker in Ordnung, „weil der Ton stimmt. Niemand muss sich fürchten, dass das Friedrichjahr mit Säbelrasseln oder einer Wiederbelebung des Preußentums einhergeht.“

Das kulturelle Erbe Preußens

Die Stiftung „Preußischer Kulturbesitz“ hat ihren Sitz in Berlin und umfasst unter anderem 16 Museen, die Staatsbibliothek, das Geheime Preußische Staatsarchiv und unzählige einzigartige Exponate. An der Spitze der Stiftung steht als Präsident kein waschechter Preuße, sondern ein echter Bayer. Wie kommt ein Bayer auf den preußischen Kultur-Thron? „Das zeigt, dass unser föderales System in Deutschland funktioniert“, sagt Professor Hermann Parzinger. (Bild) Friedrich der Große sei nach wie vor Forschungsobjekt, es gebe immer wieder Dokumente, die das Bild dieser Figur schärfer zeichnen oder gar verändern würden. „Die Analyse der Schatullrechnungen des Herrschers zeigt, dass er gar nicht so spartanisch wie bisher angenommen gelebt hat, sondern es sich auch durchaus gut gehen ließ.“

Nach Kriegsende hat man laut Parzinger beschlossen, das preußische Kulturerbe in einer Stiftung zusammenzuführen. „Wir werden zu 75 Prozent vom Bund und von allen 16 Ländern finanziert, bei uns lebt der letzte Rest Preußens fort“, sagt der Präsident zu Ursprung und Sinn der Stiftung. Zu den bedeutendsten Stücken zählen die Nofretete, der Goldene Hut, oder der Pergamonaltar. „Dazu kommen die Sammlungen, von persischen Handschriften über historische Mongoleikarten bis hin zu Werken Picassos.“ Es gibt aber auch Verluste: „Rund eine Million Objekte befinden sich nach wie vor als Beutekunst in Russland.“ Keine Spur gibt es von 400 Gemälden alter Meister, die zu Kriegsende in einen Berliner Flak-Bunker ausgelagert worden sind. „Wir wissen leider nichts über das Schicksal dieser Bilder.“ Die große Herausforderung der Zukunft sieht Parzinger in der Weiterentwicklung von Ausstellungsprogrammen. „Wir wollen Kinder, Jugendliche und Migranten in ihrer Lebenswelt abholen und sie auf Kunstschätze neugierig machen.“

Ein Hohenzoller spricht über seine berühmten Urahnen

„Friedrich der Große war mein Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Onkel, ich bin als Ältester der Familie der nahste lebende Verwandte“, sagt Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen (72) und lacht herzlich dabei. Der Historiker hat nichts von einem hochnäsigen Aristokraten und veröffentlichte mehrere Publikationen über seine berühmten Vorfahren. „Ich beschäftige mich mit Aspekten von Friedrich dem Großen, die einer breiten Öffentlichkeit wenig bis überhaupt nicht bekannt sind. Gerade zum 300. Geburtstag Friedrichs wird vieles wieder gebracht, was man ohnehin schon weiß.“ Er habe ein Buch über die von Friedrich II. heiß geliebten Windspiele geschrieben, die in Schloss Sanssouci Narrenfreiheit genossen hätten. „Im Februar erscheint ein neues Werk zum Thema „Vom anständigen Umgang mit Tieren – Friedrich war ein Tierschützer der ersten Stunde und betrachtete seine Hunde nicht nur als Gebrauchsgegenstand.“In vielen Dingen sei der Preußen-König seiner Zeit voraus gewesen. „Über seine Aussage: Ich bin der erste Diener des Staates, haben sich die anderen Herrscher Europas totgelacht.“

Friedrich II. sei ein aufgeklärter Absolutist gewesen, „der die Folter abgeschafft, die Pressefreiheit eingeführt und sich mit der Unkorrumpierbarkeit von Beamten beschäftigt hat – das sind Themen, die uns noch heute beschäftigen.“ Der Nachfahre des charismatischen Herrschers hält es für problematisch, „eine historische Figur aus ihrer Zeit zu reißen und aus der Gegenwart heraus zu beurteilen, „man muss Friedrich schon innerhalb seiner Zeit sehen und bewerten.“ Laut Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen prägen die Bauten, die seine Vorfahren errichtet haben, Berlin so stark wie die Bauten der Habsburger die österreichische Hauptstadt Wien. „Das ist das kulturelle Erbe. Preußen als politische oder geografische Einheit wieder heraufzubeschwören, das ist in Zeiten eines vereinten Europas überhaupt kein Thema.“ Er sei froh, dass Brandenburg, die Urzelle des Preußentums, seit der Deutschen Einheit wieder verfügbar sei.

Den Einfluss, den seine Familie, die Hohenzoller, jahrhundertelang auf deutschem Staatsgebiet gehabt haben, hätte sein Urgroßvater Kaiser Wilhelm II. zunichte gemacht. „Er hat es leider nicht verstanden, den Ersten Weltkrieg zu verhindern und hat in dieser Hinsicht versagt.“ Wer eine politische Rolle spielen wolle, müsse einer Partei beitreten und sich Wahlen stellen.
Was hat es nun mit dem Adelsprädikat „Prinz von Preußen auf sich? Wie blau ist das Blut von jemandem mit so einem klingenden Namen? „Da gibt es öfter Missverständnisse. Prinz von Preußen ist ein Namensteil, so wie Udo Jürgens, oder Roland Kaiser.“ Das Anrecht auf die Anrede Königliche Hoheit sei damit nicht verbunden, es handle sich nicht um einen Titel. Ihn schlicht Friedrich Wilhelm Preußen zu nennen, was auch vorkomme, sei nicht korrekt: „Das wäre so, wie wenn der Herr Müller plötzlich nur noch der Herr Mü wäre.“

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