Das Genie Beethoven und sein Medium

Von Michael Wruss   13.Oktober 2017

Pianisten gibt es wie Sand am Meer, doch nur ganz wenige erklimmen den Olymp interpretatorischer Weisheit und Intelligenz. Rudolf Buchbinder ist einer jener Ausnahmemeister, der sich, sobald am Flügel sitzend, ausschließlich einer Sache widmet, nämlich dem Gestalten von Musik. Das in einer Weise, dass man das Gefühl bekommt, der Komponist säße selbst am Instrument. So erlebt am Mittwoch beim dritten Abend des Beethoven-Sonatenzyklus im Brucknerhaus.

Keine Show, kein egomanisches Hantieren mit dem Material, sondern ein feinsinniges, intellektuelles und emotionelles Herantasten an das musikalische Denken des Komponisten. Buchbinder braucht für seine beinahe transzendentalen Beethoven-Erfahrungen keine Trümpfe aus dem Oeuvre, sondern zeigt auch an den scheinbar kleineren Sonaten auf, wie genial diese gestaltet sind.

Schon die C-Dur-Sonate aus op. 2 ist ein Geniestreich formaler und harmonischer Perfektion, die weit über das Zeitübliche hinausgeht. Auch in der Es-Dur-Sonate op. 81 geht Beethoven neue Wege, indem er eigene Gefühle zeigt und hier hochromantisch zur Geltung bringt. Leidenschaft scheint in der zwar romantisch anmutenden A-Dur-Sonate op. 101 klanglich gegeben zu sein, wird aber von einer geistigen Strenge überlagert, die aus dem schwelgerischen Fühlen für ein ebenso schwelgerisches Empfinden hochkomplexe geistige Anforderungen stellt. Dinge, die in der reinen Spiellust der D-Dur-Sonate aus op. 10 und der g-Moll-Sonate op. 49/1 nicht in dieser Ernsthaftigkeit zur Diskussion stehen und dennoch jeden Ton exakt dort platzieren, wo er Sinn hat. Um diese Vielschichtigkeit in Beethovens Werk erfassen zu können, reicht es nicht aus, bloß zwei geläufige Hände zu haben, sondern bedarf es ungeheuren Wissens, einer tiefen Liebe zum Werk und jener Leidenschaft, die aus den Noten erst Musik erwachsen lässt. Das Publikum zu Recht jubelnd von den Sesseln.

Brucknerfest: Rudolf Buchbinder, Beethoven-Zyklus, Brucknerhaus Linz, 11. Oktober

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