Crossing Europe: Von Helge Schneider bis zur Apokalypse
Kritik: Bevor das internationale Filmfestival Crossing Europe am 23. April in Linz startet, haben die OÖNachrichten Werke aus dem Programm gesichtet
Garden Lovers
Ein Film über Gartenliebhaber beim Crossing Europe? Wie passt eine Arbeit, die sich nach einer Standard-TV-Doku anhört, in das Programm eines Filmfests, das sich sozialkritischen und formal besonderen Arbeiten widmet? Im Fall von „Garden Lovers“, gedreht von der finnischen Regisseurin Virpi Suutari, muss man sagen: äußerst gut. Die Filmemacherin schafft es, grünen Privatbesitz als Stück Leben darzustellen, in dem sich Sehnsüchte, Schmerzen und Glück wider spiegeln.
Bei den Besitzern handelt es sich um starke Paare, die man dabei beobachtet, wie sie ihre Beziehung im Garten aufs Neue verhandeln, stärken und definieren. „Garden Lovers“ profitiert von ihrem Irrwitz, wenn beispielsweise über den Einsatz von Pflanzengift diskutiert wird, von der Gelassenheit, mit der die Partner ihre Schrullen dulden, etwa wenn noch mit der Taschenlampe bis spät in die Nacht Unkraut gezupft wird. Aber auch von ihrer Innigkeit und den traurigen, stillen Momenten, wenn sich die Arbeit im Grünen als Therapie gegen die Trauer nach dem Verlust des Kindes offenbart. Der Garten wird – auch dank Bildern von leuchtendem Grün und detailreichen Pflanzen – von etwas Banalem zum persönlichen Paradies.
Sektion: European Panorama
Filminfo: Eedenistä Pohjoiseen/Garden Lovers, Finnland 2014, Regie: Virpi Suutari, 72 Minuten
Screenings: 25. April, 16.30 Uhr, Movie 3 und 28. April, 20.30 Uhr, Ursulinensaal (OmeU)
Mülheim Texas - Helge Schneider Hier Und Dort
Unberührt lässt er keinen. Es gibt Menschen, die auf Helge Schneiders Hit „Katzeklo“ reagieren, wie der Teufel auf das Weihwasser. Andere verehren den deutschen Entertainer für die Selbstironie seiner Auftritte und die Satire in seinen Stücken („Es gibt Reis, Baby“, „Sommer, Sonne, Kaktus!).
Helge Schneider geht so vielen auch deshalb so nahe, weil er seine Kreativität zur Gänze nach außen trägt. Permanent nimmt er jede Stimmung auf, um sie zu Gunsten der Unterhaltung zu drehen, erfühlt die Pointen in seiner Umgebung. In ihrem Dokumentarfilm „Mühlheim Texas – Helge Schneider hier und dort“ ist Regisseurin Andrea Roggon fabelhaft gelungen, seine lustige, lässige Unmittelbarkeit einzufangen.
Aber nicht nur das.
Man spürt, wie sie mit viel Geduld die andere, ernste Seite des Clowns zu Tage gefördert hat. Es sind kurze Momente, aber sie sind stark. Etwa, wenn Schneider erzählt, wie er mit 15 beschloss, das Außenseitertum zu kultivieren, sich einen grünen Anzug kaufte und begann, auf der Straße Musik zu machen. Diese ehrlichen Situationen sind verflochten mit Backstage-Bildern, scheinbar zufällig gemachten Beobachtungen, Konzert-Mitschnitten und Erzählungen, die den öffentlichen Mythos "Helge Schneider" stärken. Und sie verhelfen „Mühlheim Texas“ dazu, ein Dokument zu werden, dass nicht nur Schneiders geheimnisvolle Zwiespältigkeit erfasst, sondern stellvertretend auch die aller großen Unterhaltungskünstler.
Sektion: European Panorama
Filminfo: Mühlheim Texas – Helge Schneider Hier Und Dort, Deutschland 2015,
Regie: Andrea Roggon, 88 Minuten
Screenings: 25. April, 21 Uhr, City 2; 26. April, 18 Uhr, Ursulinensaal; 27. April, 20 Uhr, KAPU (OmeU)
Neue Arbeiten von Dietmar Brehm
Die Arbeiten von Dietmar Brehm, der fast 40 Jahre lang an der Linzer Kunstuniversität Aktzeichnen gelehrt hat, erinnern an zwei Tatsachen, die den Film betreffen, aber im Kontext der d Populärkultur vergessen werden: Bekannt wurde das Medium in seiner kurzen Form. Und bis heute ist Film ein Medium der Kunst zwischen Ästhetik und Handwerk.
Die von Brehm erschaffenen Werke, die heuer beim Crossing Europe laufen, vereinen dies. Sie zählen zur seit 2007 laufenden PRAXIS-Reihe. Diese besteht aus einzelnen, äußerst kurze Szenen. Die ausgewählten filmischen Miniaturen wurden für den heurigen Festivalbesucher zu einer 43-minütigen Werkschau arrangiert. Wer sich diesem Reigen der Bilder, Töne, Perspektiven und ihrer Montage öffnet, hat die Möglichkeiten, einen Fluss der Assoziationen und Ideen zu erleben. Angestoßen wird er von Themen wie Fortbewegung, Vergänglichkeit, Lebenskreisläufe, Schein und Sein. All ihnen ist eine natürliche Spannung gemeinsam, die Frage: „Was passiert als nächstes?“
Brehm befeuert sie durch die Bearbeitung der Form. In einer Miniatur eröffnet sich beispielsweise eine bildgewaltige Szenerie, in der auf zwei gräulichen Türmen Taubenschwärme thronen. Die Bewegung der Tiere wird dominiert von einer roten Sonne. Ein Arrangement zwischen Niedlichkeit und Bedrohung, Todesvögeln und einem lebenspendenden Feuerball.
In einer weiteren Miniatur blickt man wiederum auf die Ziegelwand eines Turms, seine Steine bilden eine Struktur, die an ein Netz erinnert. Ähnlich verwoben sind die vertrauten Klänge, die sich über die Szenerie legen: Kirchenglocken, das Ticken einer Uhr, Heranrollen eines Gewitters bis hin zu Schüssen. Monumental wie malerisch.
Zweifelsohne ist diese Form des Films eine Herausforderung für all jene, die durchgeplante Hollywood-Geschichten als Kino kennen. Wer aber mit Brehms Arbeiten diese Komfortzone verlässt, erlebt etwas Fantastisches: Kino im Kopf.
Sektion: Local Artists
Filminfo: Praxis 14, 15, 16 Selektion, Dietmar Brehm, Österreich 2015, 43 Minuten
Screening: 26. April, 16.30 Uhr, Movie 3
Parabellum
Lukas Valenta Rinners Werk "Parabellum" wurde von dem jungen Salzburger in Argentinien gedreht. Jedem Cineasten oder Weltreisenden sei nun Folgendes gesagt: sein Werk lässt sich nicht entlang der Kategorien des europäischen oder südamerikansichen Kinos definieren. Es gibt kein "oder". Denn "Parabellum" erzählt vom Menschsein in der modernen Welt. Wie ihm das gelingt?
Valenta Rinner lässt den Zuschauer daran Teil haben, wie sich seine Protagonisten auf den Untergang vorbereiten - vom Abbestellen ihres Kabelanschlusses bis zum Überlebenstraining in einer Anlage, die irgendwo zwischen Wellness und Ausbildung für militärische Spezialkräfte angesiedelt ist. Wie sie zwischen Schießtraining und Camouflage-Kurs im Whirlpool entspannen, ist exzellent wahnwitzig.
Gleichzeitig ist es beunruhigend. Es wird fast kein Wort gesprochen. Und was genau kommt, bleibt offen. Der erdrückende Prozess des Wartens wird spürbar. Und erinnert an eine Frage, die in den vergangenen Jahren - nach Pleite gehenden Staaten, Ebola oder Krim-Krise, auch die Öffentlichkeit dominiert hat: Was geschieht als nächstes? Und vor allem: Wie wird dieses Ereignis die Welt hinterlassen?
Sektion: Cinema Next Europe
Filminfo: Parabellum, Argentinien/Österreich/Urugay 2014, 75 Minuten
Screening: 26.April, 15.30 Uhr, Ursulinensaal (OmeU)