Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Claus Peymann: "Ich bin ja eine Art Witwe von Thomas Bernhard"

Von Peter Grubmüller, 19. September 2018, 00:04 Uhr
Claus Peymann: "Ich bin ja eine Art Witwe von Thomas Bernhard"
„Jetzt habe ich in Wien mehr Freunde, als ich damals Feinde hatte.“ Bild: APA

Am Sonntag liest der Theater-Haudegen in den Linzer Kammerspielen aus "Holzfällen".

Das Publikum hasst und liebt ihn gleichermaßen. 13 Jahre lang (1986–1999) leitete Claus Peymann künstlerisch sehr erfolgreich das Wiener Burgtheater, 2017 dankte er als Chef des Berliner Ensembles ab. Am Sonntag liest die lebende Theater-Legende in den Linzer Kammerspielen aus Thomas Bernhards Roman "Holzfällen" (17 Uhr). Im OÖN-Interview spricht der 81-Jährige über sich als Gegenstand von Bernhards Texten und über die Kraft der Kunst gegen den Rechtspopulismus.

 

OÖNachrichten: Was ist für Sie das Maßgebliche an Bernhards Text "Holzfällen"?

Claus Peymann: Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich bei Thomas Bernhard zum Sujet wurde. Das war schon beim "Theatermacher" so, mit dem ja ich gemeint bin, damals mit dem Notlicht-Skandal in Salzburg – und beim mittlerweile sprichwörtlichen "Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen". Wenn Sie so wollen: Ich bin eine Art Witwe von Thomas Bernhard. Bei "Holzfällen" wartet eine Gesellschaft in einer Wiener Wohnung auf das Eintreffen eines Burgschauspielers. Der zweite Teil handelt von der Diskussion über den neuen Burgtheater-Direktor. Und das war ich. Die ganze Erregung und Panik, was dieser Piefke mit der feierlichen Burg anstellen werde, ist ein geradezu prophetisches Gebilde feiner Prosa voller Anspielungen und Witz. Und was hat er gemacht, der Piefke? Jedenfalls nicht Bankrott wie einer seiner Nachfolger. Das vorzutragen, ist ein Fressen für mich.

War das Burgtheater der künstlerische Gipfel Ihrer Karriere?

Immerhin durfte ich nach 13 Jahren aus freien Stücken gehen. Ich wurde nicht rausgeschmissen und ich musste nicht sterben, um zur Legende zu werden. Wien war meine Königsetappe, die 18 Jahre in Berlin waren der Epilog.

Womit erklären Sie sich die Sehnsucht nach Ihnen, die das Theaterpublikum nach den ursprünglichen Hasstiraden entwickelt hat?

Das waren vor allem die Wiener. Je weiter weg ich mich damals aufgehalten hab’, desto freundlicher wurden die Menschen. Meine größte Fangemeinde war damals in Tirol und Vorarlberg. Die kannten mich gar nicht, die waren nur froh, dass es gegen die Wiener ging. Gegen diesen städtischen Moloch in Österreich, der so viel Geld kostet und wo ein Korruptionsskandal den nächsten jagt.

Welche Rolle hat das Stück "Heldenplatz" gespielt, dessen Uraufführung sich im November zum 30. Mal jährt?

Das war ein Großereignis. Nicht nur für das Theater, sondern auch für den Blick der Österreicher auf sich selbst. Vor allem in Bezug auf dieses alte Motto: Wir sind das erste Opfer des Faschismus, wir sind das erste besetzte Land. Das war über Jahrzehnte eine wunderschöne Verdrängung. Spätestens nach dem Aufdecken der Realität war es mit dieser Lüge vorbei. Wenn es eine Ursache für die Legendenbildung von Peymann gibt, dann hat sie auch damit zu tun: Damals wurde eine Wahrheit theatralisch vermittelt. Insofern muss man Bernhard neben Ferdinand Raimund, Johann Nestroy und Karl Kraus stellen. Der Österreicher ist ja von Natur aus Masochist. Und wenn er einmal richtig verprügelt wird, dann liebt er zurück. Es war ja mein Auftrag, das Burgtheater zu erneuern. Und ich fand damals tatsächlich ein Theater vor, das sich fest in den Händen der Wiener aus den Vororten und des Großbürgertums befand. Diese Schicht fand in mir einen Widersacher. Es hat mir auch Spaß gemacht, dieser Widersacher zu sein. Jetzt hab’ ich in Wien mehr Freunde, als ich damals Feinde hatte. Und heute liebe ich dieses Land.

Überall in Europa wuchert der Rechtspopulismus. Ist die Kunst – und speziell das Theater – zu leise, um politisch Einfluss zu nehmen?

Leider ja. Ich glaube, die Kunst hat ihre Waffen noch nicht gezogen. Was aktuell in Österreich passiert, ist ziemlich lächerlich. Und derjenige, der einst bei der Heldenplatz-Premiere der größte Herumbrüller war – das ist mit TV-Bildern belegbar –, ist heute FPÖ-Vorsitzender und Vizekanzler. Es fehlt ein Autor, ein Theaterstück, das den Zustand Österreichs und die Gefahr des Rechtspopulismus erklärt. Aber nicht nur in Österreich, sondern auch in Polen, in Ungarn und in Deutschland. Manchmal bin ich froh, dass ich schon 81 bin und rein biologisch nicht mehr erlebe, wie sich vielleicht die Idee einer krieglosen Europäischen Union atomisiert. Wobei auch der freundliche Mann aus Wien eine Rolle spielt. Was Kurz in Österreich macht, betreibt Seehofer in Deutschland.

Glauben Sie noch an die europäische Idee?

Dieses Pokern, dieses Spekulieren mit schrecklichen Ausrastern, wie sie in Chemnitz passiert sind, ist widerlich. In Österreich ist alles immer ein bisschen Operette, das war schon bei Haider so und setzt sich mit dem jungen Kanzler fort. Aber in Deutschland wird’s gefährlich. Deutschland ist eine Weltmacht mit gewaltig Munition in der Kiste. Die europäische Idee muss bleiben, es gibt keine Alternative, aber alle warten auf Erlösung. Die Frage ist: Ist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine Jeanne d’Arc – oder nicht? Niemand weiß, auf wessen Seite er steht. Es sind Schicksalsstunden, dir wir erleben. Aber auch meine Theaterarbeit – von Handkes "Publikumsbeschimpfung" bis zu Turrinis "Tod und Teufel" – zeigt, dass Theater mehr kann, als das Publikum mit Clownnasen zum Lachen zu bringen.

mehr aus Kultur

Anton Bruckners Meistersinger

Neues Werk von Banksy mit Plastikschutz und Absperrung versehen

Trauer am Landestheater: Fritz Breitenfellner ist tot

Meister des Stahls: Richard Serra ist tot

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

1  Kommentar
1  Kommentar
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
christ13 (816 Kommentare)
am 19.09.2018 10:41

taucht immer wieder auf, wo es Cash zu holen gibt,nebst Österreichvernaderung!

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen