Christina Stürmer: "Ich habe meine kleine Familie auf Tour stets bei mir"

Von Lukas Luger   26.September 2018

OÖN: War’s ein Entwicklungsprozess oder gab’s ein "Erweckungserlebnis", dem der deutlich poppigere Sound auf "Überall zu Hause" geschuldet ist?

Christina Stürmer: Als wir "Seite an Seite" im Frühjahr 2016 rausbrachten, war ich bereits schwanger. Da habe ich gemerkt, dass sich mein Musikgeschmack ändert. Für mich war klar, dass ich mit der neuen Platte nicht – wie zu Beginn meiner Karriere – in Richtung schwere Gitarren gehen will. Ich wollte einen leichteren, ja fluffigeren Pop-Sound und nicht ständig mit der Stimme gegen die Instrumente ankämpfen . "Seite an Seite" war sehr ruhig und melancholisch, "Überall zu Hause" ist deutlich flotter. Vielleicht wirkt der Unterschied deshalb noch krasser.

Fühlten Sie sich zu Unrecht in eine Genre-Schublade gesteckt?

Nein, gar nicht. Jedes Album war zu seiner Zeit richtig. Nur fühle ich mich derzeit nicht so im "Vollgas"-Modus. Ich will nicht gegen den Sound anschreien. Die Leute sollen doch lieber tanzen und sich zu meiner Musik bewegen.

Die erste Single-Auskopplung "In ein paar Jahren" erlaubt sich etwas, was in der Popmusik eher selten ist: nämlich Mut zur Nostalgie. Wie kam’s dazu?

Mein Freund Oliver und ich saßen mit unserer Band zusammen, und wir begannen, Geschichten von früher zu erzählen. Wir haben ja viel gemeinsam erlebt. Aus dieser Schwelgerei entstand die Song-Idee. Ich bin niemand, der in der Vergangenheit lebt, aber ich wärme gerne alte Geschichten auf. Mir gefällt es, wenn man Dinge erlebt hat, darüber redet und sich an die schönen Zeiten erinnert. "Starmania" ist ein gutes Beispiel.

In welchem Sinne?

"Geh bitte, nicht schon wieder" – das war das Gefühl, wenn mich vor zehn Jahren jemand auf "Starmania" angesprochen hat. Heute stört mich das nicht mehr, dieses Kapitel gehört zu meinem Leben dazu. Ich erinnere mich gerne zurück, auch wenn es keine leichte Zeit war und viel auf mich eingeprasselt ist. Auch die Beziehung mit Lukas Permanschlager – im Rückblick haben wir überhaupt nicht zusammengepasst. Wir waren glücklich, ich bin aber auch nicht unfroh, dass wir nicht mehr zusammen sind (lacht).

Sie verbrachten fast Ihr ganzes bisheriges Erwachsenenleben im Showbiz. Was ist die wichtigste Lehre, die Sie daraus zogen?

Auf mein Bauchgefühl zu hören! Am Anfang gab es viele Einflüsterer. Ich hatte zwar Glück und war in guten Händen. Trotzdem gab es Dinge, bei denen ich mich nicht hundertprozentig wohl gefühlt habe. Mit den Jahren habe ich gelernt: Wenn mein Bauch sagt, es ist richtig, dann ist es richtig! Dann bin ich vollkommen mit mir im Reinen. Oh Gott, das klingt ja jetzt furchtbar nach Altersweisheit! (lacht) Aber es ist doch so: Wenn dich jemand beleidigt, dann trifft dich das ja besonders hart, wenn du eh Zweifel an der Sache hast und du dir nicht sicher bist.

Ist der Albumtitel "Überall zu Hause" ein Hinweis auf die Umstände des Aufnahmeprozesses oder ein Ausdruck von Fernweh?

Es stimmt, bis auf das Schlagzeug haben wir das Album bei uns zu Hause aufgenommen. Wichtiger ist aber, dass ich seit 15 Jahren ständig unterwegs bin. Meine Tochter Marina wird bei den Konzerten kommendes Jahr dabei sein, auch bei der Tournee davor war sie schon mit. Ebenso wie meine Schwiegereltern. Ich habe meine kleine Familie auf Tour stets bei mir. So fühlt es sich nirgends fremd an. Wir packen unseren Koffer in Köln in der Halle aus oder in einem Hotel in Düsseldorf – und schon sind wir überall zu Hause.

Deutschland-Konzerte sind fixiert, auch Gigs in Graz und Wien. Warum müssen wir auf ein Heimspiel in Oberösterreich warten?

Es ist etwas in Planung. Mehr darf ich aber leider noch nicht verraten.

Das neue Album

Ja, der Sound ist ungewohnt. So niederschwellig und unverschämt poppig wie auf „Überall zu Hause“ (Universal) klang Christina Stürmer noch nie. Auch wenn Fans der ersten Stunde jammern werden, mit Songs wie „Schere Stein Papier“, „Mount Everest“ oder dem Titelsong wird sie sicher neue dazugewinnen.

OÖN Bewertung: