Cesár Sampson: In Bewegung ist einzig seine große Stimme
1500 Zuseher sahen auf dem Domplatz einen stimmlich großartigen, aber auch sehr statischen Cesár Sampson.
Es war ein Experiment, dem Format "Klassik am Dom" einen Song-Contest-Starter überzustülpen. Aber es ist aufgegangen. Voll sogar, wenn auch nur musikalisch. Wobei, was kann man mehr verlangen als die herausragende stimmliche Qualität des Cesár Sampson und die spielerische Feinabstimmung zwischen Sänger, Band und Orchester?
Ein bissl mehr sichtbare Freude vielleicht an dem zeigen, was man macht, machen darf. Bewegung. Interaktion mit einem – an sich – sehr willigen Publikum. All das ist nicht das Ding des Cesár Sampson. Er betritt die Bühne mit Zettelwirtschaft, Smartphone und Tablet, hält eine Grundsatzrede darüber, warum er heute auf der Bühne unter dem Linzer Dom steht.
Ein Lippenbekenntnis für Prince
Danach beginnt er seine Arbeit und das ganz großartig. Seine Stimme ist verführerisch, sicher, soulig, bluesig und in den Höhen einfach nur schön. 1500 Menschen am Domplatz lassen sich gerne davon einfangen, Widerstand gegen diese Musik wäre ohnehin zwecklos. Der Drittplatzierte des heurigen Song Contests in Portugal singt hervorragend arrangierte Nummern von Donny Hathaway ("Little Ghetto Boy"), Bobby Womack ("Across 110th Street") oder Michael Jackson ("Never can say Goodbye", "We are almost there") oder den Peter-Gabriel-Klassiker "Solsbury Hill".
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Galerie ansehenNach vier Liedern fragt er zwischendurch ins Publikum: "Wie geht’s euch?" Ende der Interaktion. Sein ESC-Ohrwurm "Nobody but you" ist das einzige eigene Lied dieses Abends. Das lockt ihn ein bisschen aus der Reserve und das Publikum zur Potenz. Nach der Pause ist der 34-jährige, in Linz geborene, Vollblutmusiker besser drauf. Auch die Streicher sind jetzt gut zu hören, was der musikalischen Qualität noch einen Schub nach oben gibt. Sampsons Version von "The Writings on the Wall" (Titelmelodie des James-Bond-Films "Spectre") hält mit dem schier übermächtigen Original von Sam Smith spielend mit.
Dann sagt Cesár Sampson mit gefühlt größtmöglicher Emotionslosigkeit seine ESC-Kollegin Eilina Netsajeva an. Die estnische Opernsängerin wurde mit "La Forza" heuer in Portugal Achte. Die Koloratursopranistin windet sich mühelos in ungeahnte Höhen, ihr Stimmumfang ist gewaltig. Das anschließende Duett, der Queen-Song "Who wants to live forever", vermag nicht zu begeistern.
Scroll and say goodbye
Sampson, dann wieder als Solist auf der Bühne, hingegen schon. Sein Idol Prince führt den Sänger noch einmal in Sphären, die im Sport unter dem Begriff "Höchstform" firmieren. Mit "Most beautiful girl in the world" und dem Schlusslied "Purple Rain" gelingt es ihm spielend, die Verehrung für sein Idol auszudrücken, aber auch klarzumachen, dass er sich nicht eine Sekunde damit überhoben hat. Diesem schönen Moment folgt das abrupte Konzertende. Cesár Sampson scrollt die Namen seiner Musiker sein Handy hinunter und bedankt sich. Dann packt er sein Krempel und verlässt die Bühne.
Fazit: Was für ein begabter Künstler, was Stimme, Gefühl und Musikalität betrifft! Was die Performance angeht, schien Cesár Samp-son im Generalproben-Modus verhaftet.