Buchtipp: Als der Weltuntergang abgesagt wurde

Von Christian Schacherreiter   27.Jänner 2018

Der Name Kirstin Breitenfellner gehört nicht zu den bekanntesten in der österreichischen Gegenwartsliteratur. Das ist schade, denn die 1966 geborene Wienerin, die in Deutschland aufgewachsen ist, ist eine aufmerksame, sensible Beobachterin und schreibt Romane, die stilistisch und formal zwar unauffällig sind, aber aussagekräftige Zeitdiagnosen beinhalten.

In ihrem Debütroman "Der Liebhaberreflex" (2004) erzählte sie aus weiblicher Sicht vom Gespenst der Freiheit, das mittlerweile auch Frauen ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht, aber nicht zwangsläufig zum Glück führt.

Ihr neues Buch "Bevor die Welt unterging" ist ein kluger Adoleszenzroman, dessen Protagonisten aus einer Generation kommen, zu der die Autorin selbst gehört. Es ist die Generation, deren Jugend in die Achtzigerjahre fällt: Judith, die Hauptfigur, ihr erster Freund Anders, Heidi, Nosso, Babsi, Tobias, genannt Hamster – und andere mehr, eine typische Clique.

Achtundsechziger sind sie nicht mehr, dafür sind sie zu jung. Aber was sind sie eigentlich, und welche gesellschaftlichen Kräfte bestimmen ihr Erwachsenwerden? Zunächst einmal mühen sie sich mit den üblichen Jugendthemen ab: die Eltern, die Schule, die Entscheidung für Studium oder Beruf und natürlich die ersten Liebesbeziehungen, unsicher, neugierig, einerseits naiv, andererseits tabulos. Immerhin ist man mittlerweile befreit, sexuell zumindest.

Während die Achtundsechziger in ihrer Jugend noch Utopien verwirklichen wollten, muss diese Generation Katastrophen verhindern: das angebliche Waldsterben, die schleichende Vergiftung der Flüsse, den drohenden Atomkrieg zwischen der Sowjetunion und den USA. Judith und ihre Freunde wachsen vordergründig in behüteten Verhältnissen auf, sie hören aber ständig, dass die Apokalypse nahe sei, und die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl scheint die düsteren Vorhersagen zu bestätigen. Die Grünbewegung entsteht, und "alternativ" zu sein, gehört zum neuen Tugendkanon.

Die Romanhandlung endet im Jahr 1989. Die Sowjetunion implodiert, die Wälder hingegen überleben. Judith schreibt als Dreiundzwanzigjährige zwar noch richtige Liebesbriefe, kauft aber schon ihren ersten Computer. Man steht am Beginn einer neuen Epoche. "Bevor die Welt unterging" ist ein lesenswerter literarischer Beitrag zur Mentalitätsgeschichte des späten 20. Jahrhunderts.

Als der Weltuntergang abgesagt wurde

Kirstin Breitenfellner: "Bevor die Welt unterging", Picus Verlag, 230 Seiten, 22 Euro