Brachtn, Trifin und Balawan

Von Peter Grubmüller   09.Jänner 2014

Wer dort nicht geboren ist, wird nie ein Dåsiger werden – und versuchen Sie auch nicht zu verstehen, warum in d’Gosau (mit weiblichem Artikel) fährt, wer den Geburtsort von Paul Jaeg ansteuert. Die Sache wird nicht klarer, wenn man weiß, dass der Mann mit bürgerlichem Namen Gamsjäger heißt und sich bloß als Verleger (arovell verlag), Musiker ("Zugi", Steirische Harmonika), Dichter und bildender Künstler Jaeg nennt. Immerhin kümmert sich der ehemalige Hauptschullehrer darum, dass Sie mit den Menschen im Salzkammergut ins Brachtn, ins Trifin, ins Balawan – also ins Plaudern – kommen. In seinem "Dialektwörterbuch Salzkammergut" übersetzt der 64-Jährige nun rund 5000 Wörter vom Dialekt in deutsche Hochsprache und retour.

Ein Teil dieses Wörterbergs ist Jaeg in den Schoß gefallen, "weil mein Papa in den 50er Jahren schon Begriffe gesammelt hat", sagt Jaeg. "Er war ein Anlassdichter – wia ma sågt –, rund 1000 Wörter hatte er beisammen, ich hab’ weitergemacht, daraus ist ein erstes Dialektbuch mit 2600 Wörtern für Gosau entstanden." Als er rund 4000 Wörter hatte, fuhr er noch einmal von Bad Aussee im steirischen Salzkammergut bis Gmunden etliche Orte ab, er setzte sich zu Stammtischen und lockte den Einheimischen Sprachperlen heraus. "Als es 5000 waren, wusste ich, dass ich ein Buch mache."

Jaeg vernachlässigt die örtliche Herkunft der Wörter, das hätte die Buchdeckel gesprengt. "Was da drinsteht, wird irgendwo im Salzkammergut gesprochen – und wenn es nur die Ugnachtn sind", sagt er. Bitte? Die Gurken, mit "am hoamli gn" (kaum hörbares gn)!

In seiner kleinen Sprechschule gleich zu Beginn lüftet Jaeg Vokal-Geheimnisse, etwa das "reine a" (ra = lustig, zah = zäh), das "enge a" (ma = mähen, nah = nähen), das "mittlere å" (fåhn = fahren, wån = geworden) und das "dunkle å" (wåh = wahr). Wie er das genau meint, vermitteln kleine Sprachspiele: Er sagt: Lå mi! Sie sagt: Lå mi ge! (Lass mich bei dir schlafen! Lass mich damit in Ruhe!).

Die Mundartforschung habe sich einst auf die Sprache des bäuerlichen Milieus beschränkt, heute geht sie durch alle Gesellschaftsschichten. Jaeg: "Das Selbstbewusstsein der Leute vom Land ist gestiegen, sie buckeln nicht mehr vor den Städtern, zum Glück ist dadurch der Umgang mit der Mundart unbekümmerter geworden." Und die Orthographie? "In der Mundart schreibt man, wia ma se’s denkt." Auf diese Weise pflegt er es auch seit drei, vier Jahren mit seinen "Freunden" auf Facebook, weil Jaeg in den sozialen Netzwerken "selbstverständlich" unterwegs ist. Jaeg: "Dort unterhalten wir uns natürlich in Mundart, dabei entsteht aus einem Hin und Her manchmal sogar ein Vierzeiler, aber lustig is es oimoi." Also immer, verstanden?

Paul Jaeg: Dialektwörterbuch Salzkammergut, 5000 Wörter mit Erklärungen, zu bestellen unter arobell@arovell.at, 24,90 Euro.

Mundart

Paul Jaeg lebt nach dem Grundsatz: „Was echt ist und menschelt, kann nicht schlecht sein.“ Von Bad Aussee bis Gmunden hat er zusammen mit seinem Vater mehr als 5000 Wörter aufgelesen. Hier einige Beispiele:

Båtznlippi = Unglücksrabe
Dölachi = dümmlicher Mann
Eisnbåhkua = Ziege
Gspå = Spur, Fährte
Håspasser = Socken (gestrickt)
Siemnahdigi = siebennähtige Lederhose