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Beschädigte Seelen, geraubtes Leben

Von Christian Schacherreiter, 08. Jänner 2018, 00:04 Uhr
Beschädigte Seelen, geraubtes Leben
Arno Geiger ist seit seinem Roman "Es geht uns gut" im Jahr 2005 ein international renommierter Autor. Bild: Corn

Arno Geigers neuer Roman "Unter der Drachenwand" spielt im Jahr 1944.

Mit seinem Österreich-Roman "Es geht uns gut" (2005) schaffte Arno Geiger den entscheidenden Durchbruch zum international renommierten Autor. Nach zwölf Jahren und fünf weiteren Buchpublikationen ist wieder ein historischer Roman von Geiger erschienen. Während er in "Es geht uns gut" einen beeindruckenden Bilderbogen entfaltete, der ein ganzes Jahrhundert umfasst, legt er in "Unter der Drachenwand" den Fokus auf das dunkle Jahr 1944. Ein Jahr, in dem die unausweichliche deutsche Niederlage im Krieg nur noch von den fanatischsten Realitätsverweigerern bestritten wurde, deutsche Städte schon in Trümmern lagen und eine verstörte junge Generation ernüchtert erkannte, dass man sie um ihre Jugend betrogen hatte.

Nach der Matura zur Ostfront

Zu den glücklosen jungen Männern, die für die größenwahnsinnigen Welteroberungspläne der Nazis missbraucht wurden, gehört die Hauptfigur in Arno Geigers neuem Roman.

Veit Kolbe, Jahrgang 1920, ist gleich nach der Matura an die Ostfront geschickt worden, hat dort die schlimmsten Gräuel erlebt, wird 1944 schwer verwundet und auf Heimaturlaub zurück in die Ostmark geschickt. Kolbe stammt aus Wien. Da er aber die Durchhalte-Phrasen seines Nazi-Vaters unerträglich findet, zieht er sich zurück nach Mondsee, wo sein Onkel den Gendarmerieposten leitet. Der Onkel ist allerdings auch kein angenehmer Zeitgenosse, ein herzensträger Opportunist.

Im Kontrast zum spießigen Postenkommandanten steht die Figur des "Brasilianers". Der Bruder von Veits verbiesterter Quartiergeberin hat einige Lebensjahre in Brasilien verbracht, er liebt dieses Land und macht aus seiner Abneigung gegen die Nazis kein Geheimnis.

Dass Veit alles daransetzt, so lang wie möglich in Mondsee, also "unter der Drachenwand" zu bleiben, liegt auch an Margot, einer gebürtigen Darmstädterin, die hier gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter auf das Kriegsende wartet. Dann wird (vielleicht) auch ihr Mann von der Front heimkehren. Margots Vorfreude ist alles andere als ungetrübt, denn sie liebt Veit Kolbe.

Arno Geiger erzählt den Großteil des Romans in der Ich-Form aus der Perspektive von Veit. Stilistisch könnte es sich um private, tagebuchartige Memoiren handeln. In diese Haupthandlung werden Briefe anderer Figuren eingebaut, die mit der Hauptfigur in Verbindung stehen. Margots Mutter schreibt Briefe aus dem zerbombten Darmstadt.

Ein geglücktes Werk

Der junge Kurt schickt seiner dreizehnjährigen Cousine Liebesbriefe ins "Verschickungslager" Mondsee. Der Wiener Jude Oskar Meyer, der mit seiner Familie in derselben Gasse wohnte wie Veits Familie, berichtet Erschütterndes von der Flucht nach Ungarn. Geiger passt die Sprache dieser Briefe behutsam der Persönlichkeit ihrer Verfasser an. "Unter der Drachenwand" ist in jeder Hinsicht ein geglücktes Werk: stilistisch, kompositorisch, thematisch. An exemplarischen Figuren veranschaulicht Arno Geiger die mentale Verfassung einer düsteren, tödlichen Zeit. Der Alltag der Überlebenden läuft trotz des materiellen Elends und extremer Erlebnisse irgendwie weiter, aber die demolierten Biografien und die Verwüstung der Seelen werden noch lange nachwirken.

Beschädigte Seelen, geraubtes Leben
Bild: Verlag

Arno Geiger: "Unter der Drachenwand", Roman, Hanser, 480 Seiten, 26,80 Euro

OÖN Bewertung:

Veranstaltung: Buchpräsentation "Unter der Drachenwand" mit Lesung des Autors, Posthof Linz, 2. Februar, 20 Uhr.

 

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