"Baumschlager": Ein Offizier legt sich selbst aufs Kreuz

Von Nora Bruckmüller   21.September 2017

Harald Sicheritz hat den österreichischen Film geprägt. Genauer gesagt diese abgedrehte Form der Komödie, die die typisch österreichischen Blödheiten in Bürokratie, Gesellschaft und Politik so messerscharf, kompromisslos, radikal aufblattelt. Dafür muss man seine Arbeit schlicht mögen (mehr dazu in der Box).

Jetzt gibt es mit "Baumschlager" einen neuen Sicheritz-Film samt neuem Personal. Als UNO-Hauptmann Werner Baumschlager hat sich der überaus sympathische Thomas Stipsits ("Vier Frauen und ein Todesfall") an seine erste Kino-Hauptrolle gewagt.

Das ist ein Glücksfall für den Film, aber auch irgendwie ein Pech für den schauspielernden Kabarettisten ("Gott und Söhne"). Denn "Baumschlager" ist kein Sicheritz-Film, so wie man ihn erhofft, erwartet und gewöhnt ist. Im Zentrum steht weniger die Gemeindebau-Mentalität, das Gefälle zwischen dem Wiener Arbeiterbezirk Simmering und dem noblen Sievering in Döbling (19. Bezirk), sondern Spannungen zwischen Juden in Israel und Arabern im Libanon. Was nicht in rabenschwarzem, raffiniertem Witz gipfelt, sondern in Klamauk.

"Baumschlager" spielt im Nahen Osten, nach dem Drehbuch der jungen Israelin Maayan Oz. Die Ausgangssituation: Während endlich Frieden geschlossen wird und die Blauhelme bald abrücken dürfen, kämpft der lakonische wie liebenswürdige Baumschlager unverhofft an drei Fronten. Er hat eine Affäre mit der harten israelischen Offizierin Sigal Cohen (Meyrav Feldman), die sich den unbedarften Österreicher, der nicht Nein sagen kann, zu Willen macht. Um die libanesische Generalstochter Rania (Moran Rosenblatt) nicht zu verletzen, sagt er lieber nicht, dass er verheiratet ist. Und zwar in Österreich mit Martha, herrlich naiv von Gerti Drassl ("Vorstadtweiber") verkörpert. Sein Lügengerüst ist genauso fragil wie der Frieden, den keiner so richtig will, weil er doch die Bestimmung der Männer und die Geschäfte versaut...

Stipsits stattet seine Figur mit entzückender Blauäugigkeit aus, dem witzigen Drang, von allen liebgehabt zu werden – selbst als er nur mehr Spielball krimineller, politischer und weiblicher Interessen ist. Dass dazwischen etwa ein Agent, wenn er arabische Musik hört, eine Ziege besteigt, ist brachial, banal und gehört woanders hin: in die modernere US-Komödie, die seit "American Pie" stetig neue Tiefen erreicht.

Baumschlager: A/ISR 2017, 100 Min., H. Sicheritz

OÖN Bewertung:

 

Zum Regisseur

Kassenschlager: Harald Sicheritz, der zuletzt bei „Vorstadtweiber“ Regie führte, verantwortete „Muttertag“ (1993), „Hinterholz 8“ (1998) und „Poppitz“ (2002) nicht nur als Filmemacher, sondern schrieb auch jeweils am Drehbuch dieser Werke mit. Wegen der Besetzung und Mitarbeit von Alfred Dorfer und Roland Düringer werden sie auch als
„Kabarett-Filme“ bezeichnet.