Ausgebuht: Dieser "Freischütz" ist kläglich gescheitert

Von Michael Wruss   13.Juni 2018

Das passiert selten, dass noch im Fallen des Vorhangs ein Buh-Orkan die Staatsoper durchweht und schon während der Premiere von Carl Maria von Webers "Freischütz" am Montag dieses akustische Mittel des Missfallens zum Einsatz gekommen ist. Schuld daran sind die Zweifel, die bei dieser Oper immer kommen, ob man Jungfräulichkeit, Mannbarkeitsprobe, Teufelspakt und pseudoreligiöses Erlösungsdenken so wie 1821 auf die Bühne bringen darf. Der einzige wirkliche Grund, der auch Regisseur Christian Räth eingefallen ist, ist die Bedeutung und Qualität der Musik. Weber beschreitet hier neue Wege und ist ein Vorreiter für die Romantik und das Musikdrama Wagners. Dass es aber darin auch Nummern gibt, die heute fast nicht ernsthaft realisierbar sind, nimmt man ebenso wie den ethisch moralisierenden Plot einer biedermeierlichen Gesellschaft in Kauf. Oder man krempelt das Ganze wie Christian Räth zur Unkenntlichkeit um.

So wird aus dem Jägerburschen Max, der sich durch einen Treffer seine Braut erschießen kann, ein Komponist, der in einer Schaffenskrise steckt und bei dem statt Ladehemmung eine Schreibblockade diagnostiziert wird. Und zwar von Dr. Caspar, der das rechte Mittelchen dagegen weiß. Und so verteilt das Böse in der Wolfsschlucht keine Freikugeln, sondern schwarze Notenblätter, die die fehlende Inspiration beseitigen sollen.

Allerdings war an diesem Konzept kein Mehrwert zu erkennen. Gary McCann hat zwar eine riesige Bühne zusammengezimmert, und doch passiert damit genauso wenig, wie der Regisseur ein Konzept für die Personenführung erkennen lässt. Dass der Eremit zum Schluss als Deus ex machina in einem Kristallluster vom Bühnenhimmel schwebt, mag der Tropfen gewesen sein, der für das Publikum das Fass zum Überlaufen brachte.

Buhs auch für das Ensemble

Das allerdings nicht nur für die szenische Umsetzung, sondern auch für die musikalische, für die Tomás Netopil verantwortlich war. Seine Lesart der Partitur übersieht die zahlreichen lyrischen Stellen beziehungsweise gibt diesen keinen Charakter und keine Klangfarbe. Aber auch das Ensemble musste ein paar Buhs einstecken, so Hans Peter Kammerer als wenig dämonischer Samiel und Alan Held als szenisch im Stich gelassener und stimmlich nicht begeisternder Caspar. Clemens Unterreiner (Cuno) und Adrian Eröd (Ottokar) waren eine Luxusbesetzung und doch irgendwie fehl am Platz. Daniela Fally fand als ergrautes Ännchen im schwarzen Hausanzug nicht ihren Platz und war auch stimmlich nicht die richtige Besetzung. So auch Camilla Nylund, die teilweise unter dem uninspirierten Dirigat zu leiden hatte. Albert Dohmen war ein feiner Eremit, während Gabriel Bermúdez als Kilian enttäuschte. Einzig Andreas Schager (Max) wurde vom Publikum mit Beifallsstürmen bedacht.

Die Frage nach der heutigen Bühnentauglichkeit des "Freischütz" hat die offensichtliche inszenatorische Unmöglichkeit weiter zementiert. Vielleicht doch nur mehr eine Oper fürs Klangmuseum.

Wiener Staatsoper: Premiere von Carl Maria von Webers Oper "Der Freischütz", 11. Juni

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