Aus für die Zimmer-Kuchl-Kabinettgalerie

Von Irene Gunnesch   28.Dezember 2010

„Und ob das passt!!“ – Wie aus einem Mund kommt die Antwort von Renate und Richard Eder, wenn Galerie-Besucher Bedenken äußern, ob das Bild auch zur ländlichen Möblierung daheim „passt“. Wer es noch immer nicht glaubt, den führen der Galerist und seine Frau auch hinunter in den Keller ihrer Wohnungsgalerie. Hinunter in die vom Vater, dem bekannten Gmundner Keramiker Richard Eder, ererbte Bauernstube, wo über der Soff’ ein großformatiges Werk von Drago Prelog hängt.

Kein Fremdkörper, ganz im Gegenteil: Hier herrscht Harmonie pur zwischen den alten, mit Rindbach-Motiven beschnitzten Möbeln, dem mit launigen Gmundner Szenerien bemalten Kachelofen, den Eders Vater selbst gefertigt hatte, und dem expressiven Bild Prelogs.

Harmonie und spannendes Miteinander dominieren auch das sparsam mit Designklassikern der 60er/ 70er-Jahre eingerichtete Erdgeschoß. Hier wummert auch der alte Wurlitzer, hier swingt stets irgendein hochkarätiger Jazz. Hier ist die eigentliche Heimat der Linzer Galerie Eder in der Urfahraner Knabenseminarstraße, die zum Jahresende ihre „Kunstöffentlichkeit“ verliert. „Da Eda“ oder der „Galerichard“ will nicht mehr: „Ich bin jetzt 70 Jahre alt. 35 Jahre für die Kunst! Das reicht!“

Auch der Frust habe ihn ein bissl gepackt, weil es kaum junge Sammler gibt: „Die Jungen lassen ganz aus, sind fast alle nur mehr an Events interessiert. Als bei unserer 35er-Feier der Landeshauptmann da war, sind 200 Leute gekommen und bis hinaus auf die Straße gestanden. An den folgenden Montagabenden bin ich aber völlig allein dagesessen.“ Das habe ihn in seinem Entschluss, aufzuhören, bestärkt: „Die meisten Jugendlichen heute interessiert nur mehr Fetzen-Shopping und Tralala!“ Und von Kunst kenne man nur mehr die „Seitenblicke-Künstler“. Sogar ein Kunstuni-Student, mit dem er erst kürzlich gesprochen hat, habe nicht einmal mehr gewusst, wer Arnulf Rainer ist. Darum heißt es mit Jahresende Schluss, Aus für die Zimmer-Kuchl-Kabinett-Galerie.

Gehofft hatten die Eder-Fans ja bis zuletzt. Schließlich sind Richard und Renate Eder nicht nur eine fixe, sondern auch eine fest ins Herz geschlossene Konstante im Linzer Kunstleben. Montagabend für Montagabend haben sie während der letzten 35 Jahre ihre privaten Räumlichkeiten geöffnet und Ausstellungen gezeigt, auch ihnen Unbekannten Tür und Tor, Zimmer, Kuchl und Kabinett für mehrere Stunden zur Verfügung gestellt.

Ohne jedwede Berührungsängste? Ohne die Angst, es könnte etwas entwendet werden? „Einmal ist uns schon was gestohlen worden“, erzählt Richard Eder beim Besuch der OÖNachrichten und versucht, einen entrüsteten Gesichtsausdruck vorzutäuschen: „Ein Regenschirm!“

Sonst nichts? Auch kein Kunstwerk? Nein. Nie.

„Eh klar“, sagt Renate Eder, seit fast 50 Jahren Gattin des umtriebigen Kunstsammlers und -zeigers: „Kunstfreunde sind halt – auch wenn’s viele nicht glauben wollen – nette und gesittete Menschen.“

Das ist nur eine kleine Anekdote aus dem reichen Leben für die Kunst. In den Erzählungen der beiden Eders reiht sich eine an die nächste. Etwa jene, als zwei in Tracht gekleidete „Protestierer“ Texte zur „Rettung des Abendlandes“ verteilten und sich an den gezeigten Akten, besonders an einem von Franz Ringel, stießen und von Eders damals zehnjähriger Tochter Dagmar wissen wollten, wie ihr das Bild gefällt.

Richard Eder: „Die Dagmar hat grad im Kabinett ferngesehen, ist rübergekommen und hat gesagt, dass ihr das Bild nicht so gut gefällt. Auf die Frage, was sie dann dazu sagt, dass ihr Vater so was aufhängt, kam die Antwort: „Er hat mich eh gefragt, ob er sich’s ausleihen darf. Es gehört nämlich mir!“ Die Protestierer wollten wissen, warum Dagmar ein Bild besitzt, das ihr nicht gefällt. Darauf die schon leicht genervte Zehnjährige: „Weil ein Ringel einfach in eine gute Querschnittsammlung gehört! Und jetzt geh ich wieder fernsehen!“

Das Sammelvirus liegt den Eders also anscheinend in den Genen. So hatten sich die Eders bereits am Anfang ihrer Beziehung ohne Wissen des anderen zu Weihnachten Bilder geschenkt. „Ich hab dem Richard eins von der Elfriede Trautner geschenkt“, erinnert sich Renate Eder, die sich auch über die vielen Kunstfreundschaften freut, die sie im Lauf der Jahre geschlossen haben.

Einmal allerdings sind sie verklagt worden. Und zwar „nach dem Ladenschlussgesetz! Weil unsere Vernissagen um 19 Uhr beginnen!“ Der gewitzte Galerist baute jedoch einfach einen Diaprojektor auf und deklarierte die Vernissagen als „Diavortrag“. Richard Eder: „Da haben dann selbst die in der Handelskammer lachen müssen!“

Tagelang könnten die Eders erzählen. Jede Episode davon ist archiviert, im Keller fein säuberlich in Ordner geheftet. Und dicht an dicht reihen sich Kunstmappen quer durch das Haus bis ins Obergeschoß. Derzeit läuft hier die letzte Ausstellung. „Aber wenn uns nachher noch wer besuchen will, kann man sich gern bei uns anmelden!“, sagt der dienstälteste Galerist Oberösterreichs, der zumindest das Plaudern über die Kunst nicht aufgeben wird: „Wennsd’ einmal mit dem Kunstvirus infiziert bist, lässt es dich halt nicht mehr los.“

 

Kurzbiografie Richard Eder

Geboren 1.1.1940 in Linz. 1954 Chemielaboranten-Lehre; bis 1995 tätig in der Chemie Linz. 1965 Emailleur-Ausbildung, eigene künstlerische Tätigkeit.

1970 Einzug ins Linzer Atelierhaus „Im Dörfl“; 1972 Talentförderungspreis der Stadt Wels; 1973 Jury-Preis der Emaille-Biennale Limoges; 1973 Silbermedaille Pariser Kunstverein; 1974 erste Ausstellungsorganisation (Arnulf Rainer) noch im Atelierhaus. Seit 1975 Galerie im Haus Knabenseminarstraße 41; 1995 Kulturmedaille Stadt Linz; 2005 Kulturmedaille Land OÖ.