Anne Bennent: "Ich will Überraschungen und Wunder"

Von Silvia Nagl   07.Oktober 2015

Sie hat mit den großen Regisseuren der Theaterwelt wie Robert Wilson, Peter Zadek, Hans Neuenfels, Thomas Langhoff, Ruth Berghaus oder Peter Brook zusammengearbeitet und große Rollen an den großen Bühnen im deutschsprachigen Raum gespielt: Anne Bennent (52). Nun ist sie am Landestheater Linz zu sehen: In "Familienfeste", einem Konglomerat dreier Genres – Henrik Ibsens Stück "Gespenster", Virgina Woolfe’s Roman "Mrs. Dalloway" und Paul Abrahams Operette "Viktoria und ihr Husar".

 

OÖNachrichten: Sie waren vorige Saison des öfteren in Linz im Theater – um Ihre Kollegenschaft kennenzulernen?

Anne Bennent: Ja, Neugierde auf das Theater, die Räume, die Leute. Sobald ich ein Angebot bekomme, schau ich mir die Orte genau an, wo das stattfinden sollte. Das ist wie wenn man ein neues Land besucht.

Was lässt Sie zu einem Projekt Ja sagen?

Die Überraschung, der Mensch, der mich fragt und die Sache, um die es geht. Ich habe fast drei Jahre nicht mehr gespielt und ich sehne mich sehr nach dem Theater – jetzt spiele ich drei Stücke auf einmal! Das ist das Wunderartige an diesem Projekt!

Sie spielen in drei Stücken verschiedener Genres. Was ist das Verbindende?

Die Erzählung hat 250 Seiten, das Ibsen-Stück kann ungekürzt vier Stunden dauern, die Operette ist einfach eine Gaudi! Die Stücke sind auf ihre Essenz kristallisiert, sind in ungefähr derselben Zeit entstanden und zeigen Empfindungen dieser Zeit auf. Und sie zeigen ein Karussell von Paaren aus anderen Perspektiven. Sie werden logisch verbunden, indem drei Schauspieler durch die Stücke gehen und sich dabei verwandeln.

Für Sie ist es kein Problem, in einer Operette zu singen?

Nein,das war ja auch Teil dieser Überraschung. Wir alle sind keine Operetten-Sänger, aber wir huldigen diesem herrlichen Genre!

Sie pendeln zwischen ihrem Wohnort Gars am Kamp und Linz?

Ja, ich lebe mit meinem Mann (der Akkordeonspieler und Musiker Otto Lechner, Anm.) und unserem elfjährigen Sohn in Gars. Ich fahre jedes Wochenende mit dem Zug heim. Berlin würde ich nicht machen, das wäre mir zu weit weg...

Sie waren lange an der Burg bei Claus Peymann, bei Bachler wurde es ruhiger um Sie... ?

Ich hatte in Wien das riesige Glück, mit tollen Regisseuren zu arbeiten. Aber Theater ist ja auch wie ein Karussel, das sich andauernd dreht. Peymann und ich waren nicht leidenschafltich ineinander verliebt, deshalb hat er mich nicht gefragt, ob ich mit nach Berlin gehen wolle (lacht). Und ich hatte ja das heißgeliebte Burgtheater und auch gerade einen Sohn geboren. Aber es ist dann kein richtiges Wunder mehr passiert. Ich brauche Überraschungen, und Wunder. Und weil weil ich mit einem wunderbaren, abenteuerlichen Musiker zusammenlebe, haben sich neue Dinge ergeben.

Sie waren fix in einem Ensemble angestellt, nun sind Sie freiberuflich. Der Unterschied?

Fix angestellt zu sein, ist ein luxuriöses Geschenk. Ich hab diesen Luxus genossen, lebe aber immer schon sehr bescheiden. Und so habe ich auch etwas auf die Seite legen können. Ich hatte bisher noch keine Existenzängste. Ich arbeite, seitdem ich neun Jahre alt bin. Und ich habe das Gottvertrauen, dass ich immer etwas tun werde – und wenn ich auf der Straße spiele.

Sie haben mit neun zu arbeiten begonnen...?

Kinder spielen sowieso immer Theater. Nachdem mein Bruder und ich nicht in die Schule gegangen sind – unsere Eltern haben uns verschont vor diesen Schulsystem – , waren wir immer mit dabei im Theater, am Set. Wenn ein Kind als Statist gebraucht wurde, sind wir genommen worden.

Sie haben keine Schul- oder Schauspielausbildung?

Nein, ich habe gar nix! Eine Schauspielausbildung habe ich zwei Jahre in Paris bei Patrice Cherau gemacht. Ich hatte Glück: Es gab 3000 Bewerber und ich war eine von 24, die genommen wurden. Davor war ich zwei Jahre auf einer Schauspielschule in Genf. Aber ich hab’ nicht einmal einen Zettel, dass ich diese Schulen besucht habe.

Kommende Saison gibt es in Linz einen Intendanten-Wechsel. Spüren sie Verunsicherung im Ensemble?

Ja, das spüre ich stark. Man merkt, alles ist in Veränderung – auch das Theaterhaus an der Promenade. Kolleginnen und Kollegen ist der Boden unter den Füßen weggezogen worden,weil man ihnen gesagt hat, dass ihr Vertrag nicht verlängert wird. Doch dieser Beruf ist einer mit Risiko. Kunst hat auch mit Unsicherheit zu tun. Wenn man damit konfrontiert wird, kann es – auch wenn es verstörend ist –, eine Chance sein.

 

Theater: "Familienfeste", Premiere am 10.10., Kammerspiele, 18 Uhr. Teil 1, 2 und 3 werden einzeln, aber auch hintereinander an einem Abend gespielt. Info: www.landestheater-linz.at

 

Zur Person: Geboren am 13. Oktober 1963 in Lausanne, Tochter des deutschen Schauspielers Heinz Bennent und der Schweizer Tänzerin Paulette Renou , ihr jüngerer Bruder ist David Bennent („Die Blechtrommel“).

Erste Filmrolle 1973 im TV-Drama „Die Eltern“; 1977 Debüt am Berliner Schiller-Theater (Tschechows „Der Kirschgarten“); 1984–86 Münchner Residenztheater, 1986 Staatstheater Stuttgart, 1990–2003 am Wiener Burgtheater.

Lebt seit 2007 mit dem Akkordeonisten Otto Lechner in Gars am Kamp.