Unter Strom: So wirkt Elektrotherapie
Behandlungen mit elektrischem Strom erleben in der Rehabilitation eine Renaissance. Sie lindern Beschwerden oder bauen Muskeln auf.
Der Gedanke ist im ersten Moment nicht angenehm: Der Therapeut klebt Elektroden auf die Haut und schickt elektrischen Strom durch den Körper. "Prinzipiell bewegen wir uns bei Elektrotherapie im Bereich von Milliampere", gibt Primar Hermann Moser Entwarnung. Der ärztliche Leiter des Neurologischen Therapiezentrums Gmundnerberg in Altmünster erklärt: "Strom bewirkt im Körper eine Zellaktivierung und steigert die Durchblutung. Damit kann man Nerven stimulieren und gezielt Muskeln aufbauen."
Letzteres kann zum Beispiel hilfreich sein, wenn ein Patient wegen einer Verletzung sein Bein eine gewisse Zeit lang nicht belasten kann. Damit die Muskeln in dieser Phase nicht verkümmern, lassen sie sich künstlich mit Strom "auftrainieren". Diese Möglichkeit nützen auch viele Spitzensportler, um möglichst rasch wieder fit zu sein.
Ein weiteres Anwendungsgebiet sind Bandscheibenvorfälle, bei denen Lähmungen in bestimmten Muskelgruppen auftreten. In diesen Fällen kann die Kasse sogar ein Gerät für daheim genehmigen, um die Behandlung über einen längeren Zeitraum zu gewährleisten. Ob Elektrotherapie auch für Gesichtslähmungen geeignet sind, ist unter Experten umstritten.
Symptome mildern
Häufig ist die Anwendung bei sogenannten Polyneuropathien, bei denen die feinen, kleinen Nerven geschädigt werden. Von dieser Erkrankung sind Diabetiker besonders häufig betroffen. Mit der Elektrotherapie lässt sich die geschwächte Muskulatur kräftigen. Auch Symptome wie Kribbeln, das Gefühl von tausenden Nadelstichen oder Kälte lässt sich mit dieser Methode mildern. "Manchmal wird die Elektrotherapie von Polyneuropathie-Patienten aber auch als unangenehm empfunden und kann Symptome sogar anheizen. Man muss diese Behandlung immer individuell auf den Patienten abstimmen", sagt Moser. Schmerzen im Rücken oder im Nacken können mit elektrischem Strom ebenfalls positiv beeinflusst werden.
Methode mit Geschichte
"Die Elektrotherapie gibt es bereits seit mehr als 100 Jahren. Sie ist keine Wunderwaffe. Trotzdem erlebt sie in der Rehabilitation eine gewisse Renaissance. Man muss sie als ein Mosaiksteinchen unter den Therapien sehen", so der Arzt. Er selbst hat am Gmundnerberg die sogenannte Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) beforscht. Diese kommt bei Schlaganfall-Patienten zum Einsatz: Elektroden werden vorne und hinten am Kopf angelegt, Gleichstrom mit geringer Stromstärke bewirkt, dass sich vor allem motorische Symptome wie Lähmungen bessern. "Es ist wichtig, so bald wie möglich mit der Therapie zu beginnen", sagt der Neurologe. Die Anwendungen dauern jeweils 15 bis 30 Minuten, sollten zumindest dreimal pro Woche eingeplant werden und über mehrere Wochen erfolgen.
Mix aus Therapien
Bei Einschränkungen des Gesichtsfeldes ergab eine Studie ebenfalls "moderate Erfolge", wie der Experte erklärt. Auch hier gilt: Die Methode sollte unbedingt in Kombination mit anderen Ansätzen wie Physio- oder Ergotherapie genützt werden.