Krebstherapie: Methadon weckt falsche Hoffnungen
Seit einer TV-Sendung glauben viele Krebspatienten, dass Methadon eine heilende Wirkung hat.
Seit der kürzlich ausgestrahlten ARD-Sendung "Plusminus" wird viel über den Einsatz dieses Medikaments bei Krebs diskutiert. Laut einem im Fernsehen zitierten Forscherteam aus Ulm soll Methadon zusätzlich zu einer Krebstherapie die Heilungs- und Überlebenschancen stark erhöhen. Die zitierte Studie sei nicht aussagekräftig, da man nur 27 Patienten beobachtet habe, sagt Holger Rumpold, Primar am Landeskrankenhaus Feldkirch in einem Interview. Rumpold war zuvor Leiter des Zentrums für Tumorerkrankungen im Ordensklinikum Barmherzige Schwestern in Linz.
Bisher ist Methadon vor allem als Substitionsmittel in der Entzugstherapie bei Heroinabhängigkeit bekannt. In den vergangenen Jahren ist es allerdings immer wieder als potenzielles Krebsmedikament in den Fokus der Forscher gerückt. Im Jahr 2008 konnte die deutsche Chemikerin Claudia Friesen vom Universitätsklinikum Ulm zeigen, dass Methadon Leukämiezellen in den Zelltod treibt.
Ein weiterer "Beweis" gelang der Wissenschafterin im Jahr 2014. Damals konnte sie in Laborexperimenten zeigen, dass das Opioid in Kombination mit einer Chemotherapie zu einem Massensterben von Glioblastumzellen (Glioblastome gehören zu den häufigsten bösartigen Hirntumoren bei Erwachsenen) führen.
Kein Wundermittel
Ein Wundermittel sei Methadon nicht, betont die derzeit oftmals befragte Wissenschafterin Claudia Friesen. Sie sieht darin aber eine Chance für Krebspatienten, die als austherapiert gelten oder die sehr schlecht auf eine Chemo- oder Strahlentherapie ansprechen. Friesen sagt in "Pharmazeutische Zeitung online": "Wir wollen Methadon als Unterstützer oder Verstärker der konventionellen Chemotherapie in den klinischen Alltag einbringen."
Die deutschen Fachgesellschaften warnen vor übermäßiger Euphorie: "Bisher gibt es keinen Nachweis für die Wirksamkeit der Methadon-Therapie bei menschlichen Gliomen."
"Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die von der Arbeitsgruppe der Molekularbiologin Friesen am Institut für Rechtsmedizin der Universität Ulm erhoben wurden, beziehen sich ausschließlich auf vorklinische Experimente entweder mit Zellkulturen oder tierexperimentellen Studien. Dass sich Experimente an Zellkulturen oder Tierversuche nicht automatisch auf Patienten übertragen lassen, ist klar. Als negatives Beispiel sei hier nur Contergan genannt. Bei diesem Medikament wurde im Tierexperiment an trächtigen Kaninchen und Hunden die absolute Sicherheit dieser Substanz bei Schwangeren bewiesen. Die Folgen sind bekannt", so die Stellungnahme der Ärztekammer Niederösterreich.
Fachgesellschaften, wie die Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, die Österreichische Schmerzgesellschaft und viele mehr sehen die Anwendung von Methadon in der Tumortherapie mehr als kritisch und raten von ihr ab, bis wissenschaftliche Beweise vorliegen. (bar)